1. Stand der Diskussion
Seit der Hohenzollern-Entscheidung wird in der Literatur intensiv die Frage der Sittenwidrigkeit von Wiederverheiratungsklauseln diskutiert. Im Vordergrund steht die Problematik, inwieweit durch eine solche Klausel einerseits unzulässiger Druck auf die nach Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit ausgeübt wird, um andererseits die Sicherung des Nachlasses in der Familie und für etwaige als Schlusserben bestimmte Abkömmlinge zu erreichen.
Von einer Unwirksamkeit der Klausel wird ausgegangen, wenn diese dazu führt, dass der überlebende Ehepartner das gesamte Erbe verliert und ihm nicht einmal ein Anspruch am Nachlass des Erstverstorbenen in Höhe seines Pflichtteils verbleibt. Gleiches soll bei konstruktiver Vor- und Nacherbschaft gelten, wenn der überlebende Ehepartner als Vorerbe den Nachlass an den Nacherben herausgeben muss und keinen Anspruch mehr auf den Pflichtteil hat.
Weiter wird vertreten, dass Wiederverheiratungsklauseln zulässig sind, soweit sie zur Abwehr der "fremden" Erb- und Pflichtteilsrechte des neuen Ehepartners erforderlich sind und den Abkömmlingen das Vermögen des Erstverstorbenen erhalten. Eine bis auf den Tod des überlebenden Ehepartners andauernde Vorerbenstellung wird dafür teilweise als ausreichend erachtet. Weitergehende Rechtsfolgen und Sanktionen werden als nicht zulässig erachtet, es sei denn, sie wirken sich im konkreten Fall, bspw. wegen eines großen Eigenvermögens, nicht auf die Entschließungsfreiheit des überlebenden Ehepartners aus.
Im Falle der Belastung durch Vermächtnisse wird darauf hingewiesen, dass dem Ehepartner zumindest sein gesetzlicher Erbteil am Nachlass des Erstverstorbenen verbleiben muss.
2. Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht des neuen Ehepartners
Bislang nicht berücksichtigt wird in der Diskussion um die Sittenwidrigkeit einer Wiederverheiratungsklausel die Frage, inwieweit sich in diesem Zusammenhang ein Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht des neuen Ehepartners auswirkt. In einem solchen Fall ist eine Absicherung des Vermögensflusses zur eigenen Familie nicht (mehr) notwendig, sodass dann der Sanktionscharakter der Klausel im Vordergrund steht.
Da allerdings ein Pflichtteilsverzichtsvertrag jederzeit (auch ohne Kenntnis der Schlusserben) wieder aufgehoben werden kann, wird man auch in diesem Fall von einer grundsätzlichen Zulässigkeit einer Wiederverheiratungsklausel ausgehen müssen.
Für die Gestaltung ist es aber deshalb im Sinne einer Ausgewogenen und interessensgerechten Regelung sinnvoll, für den Fall der Wiederverheiratung den Zustand herzustellen, der nach der gesetzlichen Rechtslage beim Tod des erstversterbenden Ehepartners bestand und dem überlebenden Ehepartner nicht nur seinen Pflichtteilsanspruch (ggfs. auch den Zugewinnausgleich) am Nachlass des Erstversterbenden zu belassen. Sinnvollerweise sollte dies durch eine entsprechende vermächtnisweise Regelung erfolgen.
3. Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 15.10.2014
In der Rechtsprechung hatte erstmals das OLG Zweibrücken in seinem Beschluss vom 14.3.2011 die Auffassung vertreten, dass der kompensationslose Verlust der Erbschaft des überlebenden Ehepartners im Fall seiner Wiederverheiratung als sittenwidrig angesehen werden kann und vor dem Hintergrund der Hohenzollern-Entscheidung das Grundbuchamt bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung die Wirksamkeit einer entsprechenden Klausel prüfen muss.
Das Saarländische Oberlandesgericht hat in seinem Urteil vom 15.10.2014 nunmehr ebenfalls die Übertragbarkeit der Erwägungen der Hohenzollern-Entscheidung auf die Frage der Wirksamkeit von Wiederverheiratungsklauseln bejaht.
Für eine Prüfung der Sittenwidrigkeit kommt es danach darauf an, wie intensiv auf die Entschließungsfreiheit des überlebenden Ehepartners und seine höchstpersönliche Lebensplanung eingewirkt wird, ob das ihm zugefallene Vermögen geeignet war, seine Willensentscheidung tatsächlich zu beeinflussen, inwieweit die Motive des Erblassers anzuerkennen sind und ob sie das Gewicht der Beeinträchtigung des Betroffenen kompensieren können.
Unter diesen Gesichtspunkten hat das OLG eine Wiederverheiratungsklausel als sittenwidrig angesehen, die den überlebenden Ehepartner dergestalt belastet, dass er im Falle der Wiederverheiratung den gesamten Nachlass vermächtnisweise herausgeben muss und ihm nicht einmal der Pflichtteilsanspruc...