Leitsatz
Ordnet der Erblasser in einer Verfügung von Todes wegen den Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung für das von einem minderjährigen Kind ererbte Vermögen an, so ist hiervon auch die Befugnis zur Ausschlagung der Erbschaft erfasst. Eine im Namen des Kindes durch den von der Vermögensverwaltung ausgeschlossenen Erziehungsberechtigten erklärte Ausschlagung der Erbschaft ist aufgrund fehlender Vertretungsmacht unwirksam.
BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 – XII ZB 300/15
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wegen Beschränkung der elterlichen Sorge durch Testament. Das betroffene Kind wurde im Mai 2008 als Sohn der nicht verheirateten N. ... C. ... (Beteiligte zu 1, im Folgenden: Mutter) und Dr. M. ... M. ... (im Folgenden: Erblasser) geboren. Der Erblasser erkannte die Vaterschaft an, und die Eltern gaben Erklärungen über die gemeinsame elterliche Sorge ab.
Mit handschriftlichem Testament vom 22.7.2011 setzte der Erblasser seine Schwester (Beteiligte zu 4) und seinen Sohn als Erben zu je 1/2 ein und ordnete Testamentsvollstreckung durch seine Schwester für den Fall an, dass der Sohn bei seinem Tod noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben sollte. Ferner bestimmte der Erblasser, dass die Mutter von der Verwaltung sämtlicher Vermögensgegenstände, die der Sohn aufgrund des Testaments an dem Nachlass des Erblassers erwirbt, ausgeschlossen wird, falls der Sohn beim Tod des Erblassers noch nicht volljährig sein sollte.
Der Erblasser verstarb im Dezember 2013. Die Mutter erklärte im Namen des Sohnes die Ausschlagung der Erbschaft. Die Ausschlagung wurde familiengerichtlich genehmigt.
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht hinsichtlich des vom betroffenen Kind von Todes wegen erworbenen Vermögens Ergänzungspflegschaft angeordnet und die Schwester des Erblassers zur Ergänzungspflegerin bestellt. Dagegen hat die Mutter im Namen des Sohnes Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde teilweise abgeholfen und statt der Schwester des Erblassers die Beteiligte zu 2, eine Rechtsanwältin, als Ergänzungspflegerin bestellt. Das Oberlandesgericht hat die Beschlüsse des Amtsgerichts aufgehoben und Ergänzungspflegschaft wie folgt angeordnet: Für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs hat es die Beteiligte zu 2 und hinsichtlich der Verwaltung des gesamten Vermögens, das das Kind aufgrund des Todes des Erblassers erwirbt, die Beteiligte zu 3, ebenfalls Rechtsanwältin, jeweils zur Ergänzungspflegerin bestellt.
Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Mutter, die sich gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs und die diesbezügliche Pflegerbestellung wendet.
Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. (...)
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Vermögenssorge der Mutter aufgrund der testamentarischen Anordnung auch hinsichtlich der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs ausgeschlossen. Zwar habe der Sohn bei enger Auslegung der Anordnung den Pflichtteilsanspruch nicht aufgrund des Testaments erworben. Berücksichtige man jedoch den Sinn der Anordnung, die Mutter von der Verwaltung von Vermögenswerten des Nachlasses auszuschließen, zeige sich, dass die Formulierung weiter zu verstehen sei. Die Besorgnis des Erblassers, dass dem Kindesvermögen von der Mutter Schaden drohen könne, betreffe genauso Vermögenswerte, die dem Kind auf der Grundlage des Pflichtteilsanspruchs aus dem Nachlass zufließen würden.
Die Verwaltung der Vermögensgegenstände aus dem Nachlass im Sinne von § 1638 Abs. 1 BGB umfasse nicht nur die Anlage von aus dem Pflichtteilsanspruch zufließenden Werten. Vielmehr sei auch die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs, einschließlich der Ermittlung seiner Höhe und einer eventuell notwendigen gerichtlichen Durchsetzung, umfasst. Auch davon habe der Erblasser die Mutter ausschließen wollen.
b) Das hält rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
Gemäß § 1909 Abs. 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. Er erhält insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern oder der Vormund das Vermögen nicht verwalten sollen. Nach § 1638 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Vermögenssorge nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.
aa) Das Oberlandesgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass § 1638 BGB auch den Pflichtteil umfasst und der Erblasser demzufolge insoweit die Möglichkeit hat, das elterliche Sorgerecht zu beschränken. Dass sich diese Befugnis auch auf den Pflichttei...