Leitsatz
Gibt der innerhalb eines Behindertentestaments zum Dauertestamentsvollstrecker Ernannte pflichtwidrig und entgegen der getroffenen testamentarischen Verfügungen einen zum Nachlass gehörenden Wertgegenstand frei, entfällt hierdurch nicht die Mittellosigkeit des Betroffenen.
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – XII ZB 614/16
Sachverhalt
Die Staatskasse wendet sich mit ihrer Rechtsbeschwerde gegen die Festsetzung u. a. einer Betreuervergütung aus der Staatskasse.
Die 1957 geborene Betroffene steht wegen einer geistigen Behinderung unter Betreuung. In dem gemeinschaftlichen Testament hatten ihre Eltern sich gegenseitig zu Erben eingesetzt. Der jeweils Längstlebende sollte befreiter Vorerbe sein. Zum Nacherben des Überlebenden wurden die fünf gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen eingesetzt. Hierbei wurde hinsichtlich der beiden behinderten Kinder bestimmt, dass diese bezüglich ihres Erbanteils lediglich Vorerben werden, und Nacherben dieser beiden die gesetzlichen Erben sein sollen. Zudem ordneten die Eltern der Betroffenen hinsichtlich der auf die beiden behinderten Kinder entfallenden Nachlassteile eine Dauertestamentsvollstreckung bis zu ihrem Tod an. Der Testamentsvollstrecker sollte insoweit die Aufgabe haben, aus den Erträgnissen des Vermögens hinsichtlich der beiden behinderten Abkömmlinge deren Bedürfnisse auf Kleidung, Reisen, Taschengeld, Liebhabereien etc. zu befriedigen. Die Eltern verfügten weiter, dass ihre behinderten Abkömmlinge keinen Anspruch auf Auszahlung ihres Anteils oder der Früchte aus dem Vermögen haben sollen. Im Jahr 2009 verstarb die Mutter der Betroffenen, nachdem zuvor ihr Vater verstorben war.
Die im Jahr 2014 verstorbene Schwester der Betroffenen wurde zunächst zur Betreuerin der Betroffenen bestellt und übernahm später die Testamentsvollstreckung (im Folgenden: Testamentsvollstreckerin). Im Februar 2010 bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 2 zum Ergänzungsbetreuer für den Aufgabenkreis Vermögenssorge einschließlich Regelungen der Erbschaftsangelegenheiten. Nachdem der Ergänzungsbetreuer sie aufgefordert hatte, den Anteil der Betroffenen am Erbe für diese anzulegen, legte die Testamentsvollstreckerin den sich aus der Erbquote ergebenden Betrag von 29.100 EUR auf einem Sparkonto an, das auf den Namen der Betroffenen lautete. Der Ergänzungsbetreuer teilte im März 2015 mit, dass die Betroffene ein aktuelles Vermögen in Höhe von 31.698,97 EUR, darunter die "Vorerbschaft" in Höhe von 29.100 EUR, habe.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht für die Zeit vom 3.2.2013 bis zum 30.4.2015 eine Vergütung und einen Aufwendungsersatz des Ergänzungsbetreuers von 1.072,96 EUR aus der Staatskasse festgesetzt. Ferner hat es auf die noch zu Lebzeiten der Testamentsvollstreckerin (und Betreuerin) gestellten Anträge vom September 2012 bzw. September 2013 ihre Aufwandsentschädigung für die Tätigkeit in der Zeit vom 13.9.2011 bis 12.9.2013 in Höhe von 646 EUR ebenfalls aus der Staatskasse festgesetzt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Staatskasse zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich diese mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Vergütung, deren Höhe weder von der Staatskasse angegriffen noch sonst zu beanstanden sei, aus der Staatskasse festzusetzen sei, weil die Betroffene mittellos sei. Ihr zu berücksichtigendes Vermögen übersteige das Schonvermögen in Höhe von 2.600 EUR nicht. Insbesondere sei der Betrag von 29.100 EUR aus der Erbschaft nach den Eltern, hinsichtlich dessen die Betroffene Vorerbin sei, zwar grundsätzlich Bestandteil des Vermögens der Betroffenen, aber für diese nicht verwertbar und bei der Berechnung deshalb nicht zu berücksichtigen.
Nach der Auszahlung des Betrages von 29.100 EUR aus der Erbmasse an die Testamentsvollstreckerin habe dieser Betrag als Surrogat für den Erbanteil weiter der Verwaltung durch die Testamentsvollstreckerin unterlegen. Die Testamentsvollstreckerin habe den genannten Betrag nicht im Sinne des § 2217 BGB freigegeben. Dies setze voraus, dass der Testamentsvollstrecker den Betrag bzw. Nachlassgegenstand mit Entlassungswillen an den Erben herausgebe, d. h. diesen Gegenstand mit Verzicht auf das Verwaltungs- und Verfügungsrecht an den Erben übergebe, wobei es sich nach herrschender Auffassung um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handele. Die Freigabe sei zwar an keine Form gebunden, setze aber voraus, dass der Testamentsvollstrecker den Gegenstand rechtswirksam und endgültig zugunsten des Erben so aufgegeben habe, dass dieser im Rechtsverkehr ohne Inanspruchnahme des Testamentsvollstreckers verfügen könne. Keine Freigabe in diesem Sinne stelle es jedoch dar, wenn der Testamentsvollstrecker dem Erben nur die Verwaltung und Nutznießung eines Nachlassgegenstands überlasse.
Die Testamentsvollstreckerin habe den Betrag zwar auf den Namen der Betroffenen angelegt. Sie habe das Konto aber im mittelbaren Besitz gehabt, die Kontounterlagen nicht der Betroffe...