1. Die ordnungsgemäße Nachlassverwaltung ist unter Berücksichtigung des Ermessens des Testamentsvollstreckers und seiner Person als subjektives Element nach objektiven Grundsätzen zu beurteilen. Wie passt dies mit einem ggf. abweichenden Erblasserwillen zusammen? Reimann führt zutreffend zur gesetzlichen Systematik aus:
"Nach Abs. 1 hat der Testamentsvollstrecker in der Regel allein über die Art der Verwaltung zu entscheiden. Diese Regel erfährt eine Einschränkung in Abs. 2 S. 1: Anordnungen, die der Erblasser für die Verwaltung durch letztwillige Verfügung getroffen hat, sind vom Testamentsvollstrecker zu befolgen. Der Grundsatz der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung hat indes Vorrang gegenüber den Verwaltungsanordnungen des Erblassers. Dies ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und aus Abs. 2 S. 2, wonach der Testamentsvollstrecker oder ein anderer Beteiligter beim Nachlassgericht die Außerkraftsetzungen der letztwilligen Anordnungen des Erblassers beantragen kann. Darüber hinaus wird – auch ohne derartigen Antrag – der Testamentsvollstrecker auch beim Ausführen von Anordnungen des Erblassers den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses vorrangig zu beachten haben. Im Konfliktfall entscheidet das objektive Nachlassinteresse, sofern es für den Testamentsvollstrecker erkennbar ist (BGHZ 275, 280; BGH WM 1967, 25)."
Reimanns letzter Satz, der in der Vorauflage des Staudinger von 2011 noch fehlt, könnte auf Zimmermann bzw. den MüKo zurückgehen, der unter Berufung auf diese beiden Urteile des BGH folgert: "Im Konflikt der Interessen entscheidet über die Art und Weise der Verwaltung letztlich das objektive Nachlassinteresse, das zu beurteilen im pflichtgemäßen Ermessen des Testamentsvollstreckers liegt." Denn § 2216 Abs. 1 BGB ist "zwingendes Recht und ist die Grundlage des zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker bestehenden Schuldverhältnis sui generis."
Es ist daher fraglich, ob Zimmermann und Reimann überhaupt (oder eindeutig) die herrschende Meinung im o. g. Sinne (Abschnitt II.) vertreten: Reimann begründet nicht nur systematisch zwingend den Vorrang des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung noch stärker als Zimmermann, sondern sein abschließendes, unter obigem Abschnitt III. vorgestelltes Fazit: "Zulässig ist die teilweise Aufhebung der Verwaltungsanordnung, uU auch die Aufhebung unter Einschränkungen oder Bedingungen, die freilich einer Änderung nahekommen kann." ist am Ende derart weit, dass die vorherige Aussage im Sinne der herrschenden Meinung in der Sache revidiert wird.
Halten wir fest:
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Die Befolgungspflicht des Testamentsvollstreckers durch und in Hinblick auf eine Erblasseranordnung steht unter dem Vorbehalt, dass dadurch der Nachlass nicht gefährdet wird. Nur dann geht § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB der allgemeinen Vorgabe des § 2216 Absatz 1 BGB vor. Maßstab für die Frage der Nachlassgefährdung nach § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB ist § 2216 Absatz 1 BGB, das objektive Nachlassinteresse. Der Erblasserwille unterliegt diesem objektiven Vorbehalt zwingend, § 2220 BGB. |
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Daher kann man eine Anordnung gemäß § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB über den Weg des § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB sogar überwinden und inhaltlich ändern/modifizieren, wenn das objektive Nachlassinteresse, die ordnungsgemäße Nachlassverwaltung dies erfordern, ohne auf den mutmaßlichen Erblasserwillen abstellen zu müssen. Das objektive Nachlassinteresse legt die Pflicht nach § 2216 Absatz 1 BGB fest, konkretisiert sie und gibt damit letztlich und auch gegen den Erblasserwillen vor, ob und inwieweit der Nachlass gefährdet ist im Sinne von § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB. Die ordnungsgemäße Nachlassverwaltung mit seinem objektiven Maßstab und dem dazugehörigen Ermessensspielraum des Testamentsvollstreckers ist der maßgebliche Prüfungs- und Vergleichsmaßstab für die Frage, ob eine Nachlassgefährdung vorliegt. |
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Die methodisch richtige Stelle, an der der mutmaßliche Erblasserwille bei dieser Frage eine Rolle spielen kann, aber nicht muss, ist § 2216 Absatz 1 BGB und nicht § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB. |