2. Bestärkt wird dieses Ergebnis durch einen Blick in die Entstehungsgeschichte der Norm. Er zeigt, dass der objektive Gesetzeszweck diesen Befund nicht schwächt, sondern untermauert.
In der zweiten Lesung (E II § 2085) hatte die Norm bereits ihren heutigen Inhalt:
"Der Testamentsvollstrecker ist zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet. Anordnungen, die der Erblasser für die Verwaltung durch letztwillige Verfügung getroffen hat, sind vom Testamentsvollstrecker zu befolgen. Sie können jedoch auf Antrag des Testamentsvollstreckers oder eines anderen Betheiligten von dem Nachlassgericht außer Kraft gesetzt werden, wenn ihre Befolgung den Nachlass erheblich gefährdet."
Die Protokolle erhellen den Zweck der Außerkraftsetzung bei einer Nachlassgefährdung:
"Der Grundsatz, dass der Testamentsvollstrecker allein über die Verwaltung des Nachlasses zu entscheiden habe, bedürfe einer Einschränkung. Habe der Erblasser besondere Verfügungen über die Verwaltung des Nachlasses getroffen, so müsse der Vollstrecker hieran gebunden sein. Denn das freie Verwaltungsrecht des Vollstreckers bestehe nur, weil es dem mutmaßlichen Willen des Testators entspreche; gegenüber besonderen Anordnungen des Testators sei aber für Mutmaßungen kein Raum; die Anordnungen seien zu befolgen. Diese Einschränkung des freien Verwaltungsrechts des Vollstreckers sei aber keine absolute. Man müsse davon ausgehen, dass der Erblasser mit seinen Anordnungen den Zweck verfolge, seinen Nachlass möglichst zu erhalten, und dass er nicht beabsichtige, den Nachlass oder die an ihm interessierten Personen in erheblichem Maße zu schädigen. Im gegebenen Falle könne indessen die Befolgung einer Anordnung diesen, vom Erblasser offenbar nicht gewollten Erfolg herbeiführen. Der Grund könne in einer ungenügenden Sachkenntnis, häufig aber auch darin bestehen, dass in der Zeit zwischen der Anordnung und deren Vollziehung eine Änderung der Umstände eingetreten sei. In beiden Fällen liege es im Interesse aller Betheiligten, wenn die Möglichkeit bestehe, diese Anordnungen des Erblassers zu korrigieren. Am zweckmäßigsten sei es, in dieser Beziehung mit dem Antrage 7 dem Nachlassgerichte gewisse Machtbefugnisse zu gewähren, weil die Formen, in denen sich die Freiwillige Gerichtsbarkeit bewege, immerhin eine etwas freiere Prüfung der Sachlage ermögliche als die Formen des Prozesses. Es müsse demgemäß das Nachlassgericht ermächtigt werden, auf Antrag des Testamentsvollstreckers oder eines anderen Betheiligten Anordnungen des Erblassers über die Verwaltung außer Kraft zu setzen, wenn die Befolgung den Nachlass mit einer erheblichen Gefahr belasten würde."
Die Gesamtschau dieser Passage mit dem Begriff der "Korrektur" zeigt das allgemeine Problembewusstsein bei der Beratung und den Regelungszweck, die Vermeidung der Nachlassgefährdung. Der historische Gesetzgeber hatte das Problem deutlich vor Augen. Vor allem aber bezweckte er eindeutig eine Korrekturmöglichkeit durch das Nachlassgericht anhand der konkreten Umstände, ohne dies auf die bloße (Teil-)Aufhebbarkeit zu beschränken, gerade mit Blick auf die sachgerechte Fexibilität der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, die auch heute noch das FamFG prägt.
Als Beispiele nennen die Protokolle zwar zwei Fälle, die heute zumeist im Rahmen des mutmaßlichen Erblasserwillens eine Rolle spielen. Die Verknüpfung der Protokolle mit den anderen Auslegungskriterien verbietet es indes, hieraus abzuleiten, der Gesetzgeber habe hier eine Lösung gewollt, die sich auf den mutmaßlichen Erblasserwillen nach heutigem Maßstäben konkret verengt. Denn Ziel der Auslegung ist, den erkannten Gesetzeszweck "optimal" zu verwirklichen.
Auch der Wortsinn "Außer Kraft setzen" gibt es zusammen mit dem Regelungszweck nicht her, eine Modifikation/Änderung von Erblasseranordnungen durch das Nachlassgericht auszuschließen. Im Gegenteil ist nach dem Grundsatz a majore ad minus neben der Aufhebung auch eine Modifikation/Änderung von Erblasseranordnungen zuzulassen – eine "Korrektur", wie die Protokolle sagen, die eindeutig mit dem Risiko der Nachlassgefährdung und "gewissen Machtbefugnissen" für das Nachlassgericht verknüpft wird.