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Nahezu im gesamten Schrifttum findet sich die kurze, meist zweiteilige Aussage, das Nachlassgericht könne bei einem Beschluss nach § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB "zwar die Anordnung oder nur einen abtrennbaren Teil aufheben, aber keine eigene Anordnung treffen", wobei man sich auf einen Beschluss des Kammergerichts aus dem Jahre 1971 beruft. Es handelt sich hierbei um zwei Rechtsfragen, die unterschiedlich zu beurteilen sind. Auch wird die These von der bloßen (Teil-)Aufhebbarkeit von Erblasseranordnungen gemäß § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB von wichtigen Stimmen im Schrifttum unter Berufung auf den mutmaßlichen Erblasserwillen ergänzt, de facto aber relativiert: man lässt vor allem bei Umstandsänderungen nach dem Erbfall eine "Modifikation" zu, bringt dies aber mit der These von der bloßen (Teil-)Aufhebbarkeit nicht konsequent in Einklang und geht methodisch bedenklich vor.
A. Vorbemerkung
Ausgehend von den grundlegenden systematischen Erkenntnissen von Reimann versucht der Beitrag zu zeigen, dass Wortsinn, Entstehungsgeschichte, Gesetzeszweck und Systematik eine in sich schlüssige Lösung bieten: Es kann nicht nur eine Aufhebung beantragt und beschlossen werden, sondern auch die inhaltliche Korrektur einer Erblasseranordnung ohne Rückgriff auf den mutmaßlichen Erblasserwillen; dabei darf das Gericht vom gestellten Antrag nicht abweichen. Denn der Grundsatz der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung (§ 2216 Absatz 1 BGB) ist gegenüber einem ggf. widersprechenden Erblasserwillen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 vorrangig. Daher ist es möglich, eine Anordnung gemäß § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB allein anhand der Pflicht der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung mit einem Beschluss nach § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB unter Bindung an den diesbezüglichen Antrag auch zu "korrigiren", so der Begriff der Protokolle. Ohne die Antragsbindung, sowohl bei einer begehrten Aufhebung als auch bei einer Korrektur, würde das Gericht eine vom Gesetz nicht vorgesehene Kontrolle über den Testamentsvollstrecker ausüben. Eine Erblasseranordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB kann daher gemäß § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB entweder aufgehoben oder korrigiert werden, das Problem, ob und inwieweit eine Anordnung teilaufhebbar sein kann, entfällt. Zu diesen Fragen wird auch der Beschluss des Kammergerichts aus dem Jahre 1971 genauer betrachtet und eingeordnet.
Die praktische Bedeutung der Korrektur soll ein Fallbeispiel zum Behindertentestament zeigen. Mit einem Formulierungsvorschlag für den Korrekturantrag schließt der Beitrag.
B. Inhaltlich korrigierender Antrag und Beschluss gemäß § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB
I. Einleitung
Ist eine Testamentsvollstreckung angeordnet, so stimmt kurz gesagt irgendetwas nicht, es gab dafür – jedenfalls aus Sicht des Erblassers – ein Motiv: Dies kann in der Person des Erblassers selbst liegen (manche können nicht loslassen), in dem oder den Erben und/oder im Nachlass. Und selbst wenn der benannte Testamentsvollstrecker den Erblasser bei der Gestaltung begleitet hat und sein Amt nach dessen Tod nun antritt, muss dem Testamentsvollstrecker klar sein, dass bis zum Erbfall sich die Familiensituation geändert haben könnte – auf alle Fälle aber, dass sich der Nachlass seit der Testamentserrichtung weiterentwickelt hat oder sich die Ziele des Erblassers geändert haben könnten, ohne davon zu erfahren.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Pflicht des Testamentsvollstreckers, das Testament eigenverantwortlich auszulegen, zusätzliches Gewicht. Denn er muss seine Pflichten, wie sie sich aus den letztwilligen Verfügungen ergeben, mit dem Willen des Erblassers abgleichen: Er muss die "Zwecke, um derentwillen der Erblasser die Testamentsvollstreckung angeordnet hat, nach besten Kräften zu verwirklichen trachten."
Indes birgt die fehlende Auslegungshoheit des Testamentsvollstreckers ein (Haftungs)Risiko für seine Person und für die Nachlassverwaltung. Denn geht es um die ordnungsgemäße Nachlassverwaltung bzw. um "Anordnungen ... für die Verwaltung" (§ 2216 Abs. 2 S. 1 BGB), wird der Testamentsvollstrecker bei der Auslegung immer Richter in eigener Sache sein und die von Rechtsprechung und Literatur ein- bzw. vorgeschlagenen Wege, dem Testamentsvollstrecker die Auslegungshoheit zu sichern, greifen nicht. Auch die Rechtsprechung, wonach eine Auslegung durch den Testamentsvollstrecker dann nicht schuldhaft pflichtwidrig ist, wenn er nach "sorgfältiger Ermittlung aller erkennbaren erheblichen Umstände zu einer immerhin vertretbaren Auslegung des Testaments gelangt", gibt dem Testamentsvollstrecker nicht die Sicherheit, die er braucht.