1. Bestimmung des Erbstatuts nach türkischen Staatsangehörigen seit Inkrafttreten der EUErbVO
Zunächst ist das auf die Erbfolge anwendbare Recht (Erbstatut) zu bestimmen. Da der Erblasser nach dem 16. August 2015 verstorben ist, fällt die Erbsache gem. Art. 83 Abs. 1 EUErbVO in den zeitlichen Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung vom 4.7.2012. Unbeachtlich ist dabei, dass der Erblasser nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates iSd EUErbVO besaß, denn diese gilt als sog. loi uniforme (Art. 20 EUErbVO) ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers uneingeschränkt auch im Verhältnis zu sog. Drittstaaten.
Gem. Art. 75 Abs. 1 EUErbVO haben aber internationale Abkommen, die in den Mitgliedstaaten bereits zum Zeitpunkt der Annahme der EUErbVO am 4. Juli 2012 in Kraft waren, Vorrang vor der EUErbVO. Da der Erblasser türkischer Staatsangehöriger war, sind bei der Bestimmung des auf die Erbfolge nach seinem Tod anwendbaren Rechts im Verhältnis zur Türkei vorrangig die Vorschriften im Anhang zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 (sog Nachlassabkommen) zu beachten.
§ 14 Nachlassabkommen bestimmt das auf die Erbfolge anwendbare Recht wie folgt:
§ 14
(1) Die erbrechtlichen Verhältnisse bestimmen sich in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte.
(2) Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre.
Nach allgemeiner Ansicht sind diese Vorschriften für die Bestimmung des Erbstatuts sachlich einschlägig, wenn ein türkischer Staatsangehöriger Nachlass in Deutschland bzw. ein deutscher Staatsangehöriger Nachlass in der Türkei hinterlässt. Dagegen wird die Erbfolge in das in Deutschland belegene Vermögen eines deutschen Staatsangehörigen nach den autonomen Kollisionsnormen angeknüpft und ebenso die Erbfolge in das in der Türkei belegene Vermögen eines türkischen Staatsangehörigen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da der Erblasser türkischer Staatsangehöriger war und es um seinen in Deutschland hinterlassenen Grundbesitz geht.
Daher tritt im vorliegenden Fall eine Nachlassspaltung ein: Während für den in Deutschland belegenen Grundbesitz das deutsche Erbrecht maßgeblich ist (§ 14 Abs. 2 Deutsch-Türkisches Nachlassabkommen), gilt für das in Deutschland belegene bewegliche Vermögen das türkische Heimatrecht des Erblassers (§ 14 Abs. 1 Deutsch-Türkisches Nachlassabkommen).
2. Auswirkung der Nachlassspaltung auf die Erteilung von Nachlasszeugnissen
Aufgrund der Nachlassspaltung sind zwei Erbscheine zu erteilen: Ein sog. Fremdrechtserbschein auf der Grundlage der Erbfolge nach dem türkischen Erbrecht für den beweglichen Nachlass und ein sog. Eigenrechtserbschein auf der Basis der Erbquoten des BGB für das in Deutschland belegene unbewegliche Vermögen. Häufig wird das Gericht beide Erbscheine in einer Urkunde zusammenfassen (sog. Doppelerbschein).Dies lässt allerdings die rechtliche Selbstständigkeit beider Erbscheine unberührt. Die Beteiligten haben auch die Möglichkeit, die Erbscheine getrennt zu beantragen. Benötigen sie also einen Erbschein lediglich zu Grundbuchzwecken, können sie allein den Eigenrechtserbschein beantragen und auf den Fremdrechtserbschein verzichten. So ist es auch im Fall des OLG Hamm geschehen.
Umstritten ist in Deutschland die Frage, wie mit Nachlass eines türkischen Erblassers zu verfahren ist, der außerhalb Deutschlands belegen ist. Man stelle sich z. B. vor, dass der Erblasser im Fall des OLG Hamm ein weiteres Grundstück in Belgien und ein Bankkonto in den Niederlanden hinterlassen hat. Müsste in diesem Fall das deutsche Gericht ein Europäisches Nachlasszeugnis iSv Art. 62 ff EUErbVO in Anwendung von § 14 Nachlassabkommen hinsichtlich des niederländischen Bankkontos auf der Basis des türkischen Heimatrechts des Erblassers und hinsichtlich des in Belgien belegenen Grundbesitzes auf Basis der belgischen lex rei sitae ausstellen, obgleich aus Sicht beider EU-Mitgliedstaaten auf der Basis von Art. 21 EUErbVO anhand des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in Deutschland das deutsche Recht Erbstatut ist? Was wäre, wenn Belgien mit der Türkischen Republik einen Konsularvertrag abgeschlossen hat, wonach sich auch der Immobiliennachlass eines türkischen Erblassers nach seinem türkischen Heimatrecht vererbt?
Hier ergibt sich die Lösung mE schon aus dem K...