Leitsatz
Die Europäische Erbrechtsverordnung gestattet den Parteien eines Erbvertrages für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrages, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht zu wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Art. 22 EuErbVO unter den darin genannten Bedingungen hätten wählen können. Hiernach kann eine Person für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört.
BGH, Beschluss vom 10. Juli 2019 – IV ZB 22/18
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Erbfolge nach der am 26. April 2017 verstorbenen Frau Tania W. (im Folgenden: Erblasserin).
Die Erblasserin hat zwei letztwillige Verfügungen hinterlassen, einen notariellen Erbvertrag vom 6. Oktober 1998 und ein notarielles Testament vom 25. April 2016. Ersteren hatte sie zusammen mit dem Beteiligten zu 1, einem seit 1986 in Deutschland wohnhaften italienischen Staatsangehörigen, mit dem sie nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts zum Zeitpunkt der Beurkundung in einer Lebensgemeinschaft zusammenlebte, geschlossen. In dem Erbvertrag hatten sich die Vertragsparteien gegenseitig zu Alleinerben und als Erben des Letztversterbenden die gemeinsamen Kinder – die Beteiligten zu 2 und 3 – zu gleichen Teilen eingesetzt. Sie hatten zudem erklärt, dass hinsichtlich aller Regelungen über ihr Erbrecht bzw. das Erbrecht jedes einzelnen ausschließlich das deutsche Erbrecht gelten solle und "als Rechtswahl das deutsche Erbrecht" vereinbart. In dem späteren Testament – zu diesem Zeitpunkt war die Lebensgemeinschaft mit dem Beteiligten zu 1 beendet – setzte die Erblasserin ihre noch nicht geborenen Enkelkinder als Erben zu gleichen Teilen und für den – eingetretenen – Fall, dass solche zum Todeszeitpunkt noch nicht vorhanden sind, die Beteiligte zu 4 als alleinige Ersatzerbin ein. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Das spätere Testament sei unwirksam, da es gegen die bindende Erbeinsetzung in dem nach der Europäischen Erbrechtsverordnung zulässigen und materiell wirksamen Erbvertrag verstoße. Mit Beschluss vom 20. Oktober 2017 hat das Nachlassgericht die für die antragsgemäße Erbscheinserteilung erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 4 hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 4 ihr Begehren auf Zurückweisung des Erbscheinsantrags weiter.
Aus den Gründen
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat – soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse – ausgeführt, der Erbvertrag dürfte vor Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. EU 2012 Nr. L 201 S. 107; im Folgenden: Europäische Erbrechtsverordnung und EuErbVO) unwirksam gewesen sein, da der Erbvertrag nach deutschem Recht den anderen Rechtsordnungen fremd sei. Dies könne jedoch dahinstehen. Er sei zumindest mit dem Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung wirksam geworden. Nach Art. 83 Abs. 2 und 3 EuErbVO seien vor dem 17. August 2015 getroffene Rechtswahlen und errichtete Verfügungen von Todes wegen zulässig sowie materiell und formell wirksam, wenn sie – wie hier – die Voraussetzungen des Kapitels III EuErbVO erfüllten. Die Erblasserin habe zum Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt, so dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem deutschen Recht unterliege (Art. 21 EuErbVO). Außerdem hätten die Vertragsparteien sowohl hinsichtlich des Errichtungs- als auch des Erbstatuts deutsches Erbrecht gewählt (Art. 25 Abs. 3 EuErbVO). Damit sei mit dem Stichtag die Wirksamkeit des Erbvertrages eingetreten. Diese umfasse auch die Bindungswirkung des Vertrages für die Erblasserin, die sich aufgrund der von den Vertragsparteien getroffenen Rechtswahl nach dem deutschen Errichtungsstatut richte. Die Erblasserin habe den Erbvertrag daher nach dem Stichtag nicht mehr widerrufen können. Dem stehe der Schutz des Vertrauens in ihre fortbestehende Testierfreiheit nicht entgegen.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dies kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass sich aufgrund der von den Vertragsparteien getroffenen Rechtswahl die Erbfolge nach dem zwischen der Erblasserin und dem Beteiligten zu 1 geschlossenen Erbvertrag richtet. Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 4 in dem späteren notariellen Testament ist gemäß § 2289 Abs...