Der Erblasser E beruft seine Lebensgefährtin A (oder etwa ein leibliches Kind seiner vorverstorbenen zweiten Ehefrau aus deren erster Ehe) sowie seine beiden Kinder B und C zu je 1/3 zu Erben. A und B sind kinderlos, C hat ein Kind (CK).
Er ordnet Testamentsvollstreckung an.
Eine Ersatzerbenbestimmung trifft er nicht.
Mit seinem dritten Kind D hatte E einen Erbverzicht (alternativ: nur einen Pflichtteilsverzicht) vereinbart gegen Zahlung einer Abfindung, um einen Streit zu beenden. Hier besteht kein Kontakt mehr.
D hat ein Kind (DK).
Nach dem Tod des E kommt das Testament zur Anwendung, wobei aber A und dann C es ablehnen, mit Testamentsvollstreckung belastet zu werden; sie schlagen beide die Erbschaft aus.
a) A kann zwar nach §§ 1945, 1953 BGB die Erbschaft ausschlagen, aber, da sie als bloße Lebensgefährtin (ebenso etwaige Kinder der A aus ihrer vorangegangenen Ehe) nicht nach E pflichtteilsberechtigt ist, greift die Spezialnorm des § 2306 BGB nicht: Sie bekommt nicht den Pflichtteil.
Sie erhält nichts!
Eine Ersatzerbschaft ist nicht angeordnet (§ 2096 BGB).
Stattdessen tritt Anwachsung ihres Anteils ein zugunsten der B und des C (§ 2094 Abs. 1 S. 1 BGB).
Beide erhalten je 1/6 zusätzlich zu ihrem Erbteil, so dass also jeder 3/6 Erbteil erhalten haben wird. Dieser Erbteil nebst Erhöhung ist jedoch mit der Testamentsvollstreckung beschwert.
b) Schlägt C jetzt – und zwar als Pflichtteilsberechtigter nach E berechtigt – gemäß § 2306 BGB aus, erhält er seinen Pflichtteil.
c) Ein Ersatzerbe ist zwar nicht benannt, aber nach § 2069 BGB würde dem C im Zweifel CK nachfolgen. Der würde also den erhöhten 3/6-Erbteil übernehmen, bliebe jedoch mit der Beschränkung durch Testamentsvollstreckung belastet. Zudem muss er nun den Pflichtteil an seinen Vater C zahlen (§ 2320 Abs. 1 BGB).
Nach BGH ist allerdings fraglich, ob § 2069 BGB in diesem Fall überhaupt gilt: Weil der Stamm C schon bereichert wurde durch den dem C erwachsenen Pflichtteil, soll dem Nachfolger des Begünstigten – hier also dem CK – kein Recht zur Ersatzerbfolge mehr zustehen.
Demgegenüber ist zu sehen, dass der Nachfolger CK bei Erhalt des Erbteils von C für dessen Pflichtteil einzustehen hat. Warum soll er also nicht Ersatzberufener werden können bezüglich des Anteils, insbesondere wenn und soweit dieser über die Pflichtteilslast hinausgeht? Er bekommt nur keinen Pflichtteil mehr, weil insoweit § 2306 BGB teleologisch zu reduzieren ist.
Es erhellt jedoch ohne Weiteres, dass kein genereller Anlass besteht, CK von der Ersatznachfolge nach C auszuschließen, was im Übrigen ja auch mit der Wertung des § 2320 BGB übereinstimmt. Als nachfolgender Erbe hat er für die Pflichtteilsübernahme des ausgeschiedenen Erben einzustehen; aber dazu muss er Erbe werden.
CK übernimmt danach den erhöhten Erbteil gegen Verpflichtungsübernahme gegenüber seinem Vater C.
d) Aber, weil CK die Testamentsvollstreckung nicht hinnehmen mag, schlägt auch er den Erbteil aus, was ihm freisteht.
Er ist gleichermaßen wie sein Vater gemäß § 2306 BGB Pflichtteilsberechtigter nach seinem Großvater E, so dass § 2306 BGB ihm zu einem eigenen Pflichtteil verhelfen könnte:
Aber der Stamm C ist bereits bedacht, so dass CK nichts mehr erhalten soll: Sein vom Vater C übernommenes und von E stammendes Erbteil soll nach BGH v. 29.6.1960 – V ZR 64/59, BGHZ 33/60 (63) nicht nach § 2069 BGB dem mutmaßlichen Ersatzerben CK anfallen, sondern entweder dem B oder – was speziell zu untersuchen ist – dem D bzw. DK.