a) Rückblick
Das ErbStG wurde bereits drei Mal durch das BVerfG überprüft. Der Beschl. v. 22.6.1995 erging zu einer Verfassungsbeschwerde. Die beiden weiteren Entscheidungen vom 7.11.2006 und vom 17.12.2014 beantworteten die Vorlagefragen des BFH vom 22.5.2002 und vom 27.9.2012.
b) Vermeidung von Vorlagen
Seit dem 27.9.2012 erfolgte, wohl auch wegen des personellen Wechsels an der Spitze des II. Senats im Frühjahr 2016, keine weitere Vorlageentscheidung des ErbStG an das BVerfG. In verfassungsrechtlich problematischen Bereichen des ErbStG nahm der II. Senat des BFH verfassungskonforme Auslegungen vor.
Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2014 die Finanzgerichte aufgefordert, Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG zu vermeiden, und ist dabei der Argumentation des BFH in seinem Beiladungsbeschluss vom 5.10.2011 und der daraufhin ergangenen Vorlageentscheidung vom 27.9.2012 entgegengetreten. In der Beitrittsaufforderung vom 5.10.2011 begründet der BFH die Notwendigkeit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG insbesondere mit dem begünstigten Übergang von Anteilen an Cash-Gesellschaften. Die Möglichkeit einer Korrektur über § 42 AO wird dabei nicht erwähnt. Dies hatte zur Folge, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 die von ihm gewünschte Neufassung von § 13a Abs. 4, Abs. 5a und § 13 Abs. 2 sowie Abs. 2a ErbStG wie folgt begründete:
Zitat
"Der Bundesfinanzhof hat in seinem Beiladungsbeschluss vom 5.10.2011 (Az II R 9/11) Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt, mit denen Privatvermögen den Begünstigungen für Betriebsvermögen zugeführt werden kann."
In der Vorlageentscheidung vom 27.9.2012 begründet der BFH sodann seine Auffassung, die Begünstigungen von Cash-Gesellschaften können nicht durch § 42 AO vermieden werden, u.a. wie folgt:
Zitat
"Der Bundesrat geht in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines JStG 2013 ersichtlich ebenfalls davon aus, dass keine missbräuchliche Gestaltung i.S.d. § 42 AO vorliege; denn andernfalls bedürfe es nicht der geforderten Änderung des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ErbStG" (BR-DS 302/12 [Beschluss], 113 ff.).
Diesem Zirkelschluss ist das BVerfG in seiner Entscheidung vom 17.12.2014 mit folgendem Hinweis entgegengetreten:
Zitat
"Die Finanzgerichte sind allerdings bei der Auslegung und Anwendung des § 42 AO nach Möglichkeit gehalten, mit Hilfe dieser Bestimmung über den Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Steuerrecht solchen Gestaltungspraktiken entgegen zu wirken, die sonst zur Verfassungswidrigkeit einer Norm führen."
Die Vermeidung von Vorlageverfahren durch die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsvorschrift des § 42 AO bildet nach meiner Ansicht die eine Seite, ihre Vermeidung durch Auslegung die andere Seite der gleichen Medaille.
c) Zwischenergebnis
Danach kommt ein Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG erst dann in Betracht, wenn sich ein verfassungswidriges Ergebnis der Anwendung von § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG nicht durch Auslegung vermeiden lässt.