1. Sachverhalt
Die Klägerin erwarb 2017 durch Schenkung ihres zwischenzeitlich verstorbenen Vaters alle Anteile an der originär gewerblich tätigen B-GmbH. Der Wert dieser Anteile wurde mit dem Substanzwert angesetzt, da eine Bewertung im Ertragswertverfahren unstreitig zu einem negativen Ergebnis geführt hätte.
Das Finanzamt traf u.a. folgende Feststellungen:
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Wert der übertragenen Anteile 555.975 EUR abzüglich Kosten 11.377 EUR = 544.598 EUR |
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Finanzmittel 2.517.649 EUR |
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Junge Finanzmittel 60.000 |
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Schulden 3.138.504 EUR |
Dem Wortlaut von § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG entsprechend stellte das Finanzamt den Wert der übertragenen Anteile ins Verhältnis zu dem Verwaltungsvermögen und kam so zu folgender Berechnung:
2.517.649 + 60.000 = 2.577.649
____________________________ = 473 %
544.598 * 100
Der Einstiegstest nach § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG, der die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen für unternehmerisches Vermögen insgesamt davon abhängig macht, dass das Verwaltungsvermögen grundsätzlich nicht mehr als 90 % des Verkehrswerts der begünstigungsfähigen Anteile beträgt, war damit deutlich verfehlt. Demgemäß versagte das Finanzamt die Begünstigungen nach § 13a ErbStG und setzte Schenkungsteuer i.H.v. EUR 51.675 fest. Die Klägerin vertritt dagegen die Auffassung, § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG sei nicht anwendbar mit der Folge, dass die Schenkungsteuer unter Anwendung der Regelverschonung nach § 13a Abs. 1 ErbStG und des Abzugsbetrags nach § 13a Abs. 2 ErbStG auf 0,00 EUR festgesetzt werden müsse.
2. Unterbliebene Gestaltung
Dieses für die Klägerin nachteilige Ergebnis hätte bei dem Erwerb unter Lebenden, unabhängig von der Frage der Anwendung von § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG, ganz einfach dadurch verbessert werden können, dass vor dem maßgeblichen Übertragungsstichtag die Schulden gezahlt worden wären, mit der Folge, dass nur noch die jungen Finanzmittel i.H.v. 60.000 EUR zu berücksichtigen gewesen wären.
3. AdV-Entscheidung vom 3.6.2019
Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gab das FG mit der Entscheidung vom 3.6.2019 statt (3 V 3697/18 Erb). Der erkennende Senat äußerte dabei ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids, da die gesetzliche Regelung zu einem wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Ergebnis führe, wobei auch zweifelhaft sei, ob dieses Ergebnis durch den Gesetzeszweck, der darin besteht, Missbrauch zu verhindern, gedeckt wird. Dem Hauptsacheverfahren überließ das FG Münster die Entscheidung der Frage, ob eine Auslegung von § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (teleologische Reduktion, Auslegung gegen den Wortlaut) erfolgen muss.
4. Weitere Entwicklungen
a) Literatur
Die Entscheidung des FG Münster vom 3.6.2019 ist in der Literatur begrüßt und die Notwendigkeit der einschränkenden Auslegung von § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG weitgehend bejaht worden.
b) Initiative des Freistaats Bayern
Mit Schreiben an den Präsidenten des Bundesrats vom 23.7.2020 brachte der Freistaat Bayern den Antrag ein, dass u.a. der Einstiegstest wie folgt zu verändern sei:
Zitat
"Bei der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote für die Prüfung, ob ein von der Steuerentlastung für das Unternehmensvermögen ausgeschlossenes vermögensverwaltendes Unternehmen vorliegt, sollte auf das Verwaltungsvermögen nach Abzug der Schulden sowie des Sockelbetrages abgestellt werden. Hierdurch wird der Ausschluss ganzer Branchen und Unternehmen mit hoher Fremdkapitalquote von der Entlastung vermieden."
5. Hauptsacheentscheidung vom 24.11.2021
Das FG Münster stellt zunächst fest, dass nach dem Wortlaut des § 13b Abs. 2 S...