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Die Steuerbegünstigungen für Betriebsvermögen stellen ein Kernelement der erbschaftsteuerlichen Regelungen dar. Werden Anteile an Kapitalgesellschaften begünstigt übertragen, dann können diese nach § 13a Abs. 6 Nr. 4 S. 1 ErbStG innerhalb der Behaltensfrist nicht veräußert werden. Dasselbe gilt nach § 13a Abs. 6 Nr. 4 S. 2 ErbStG, wenn die Gesellschaft innerhalb der Behaltensfrist aufgelöst wird. Bei Insolvenz der Gesellschaft droht daher eine Nachversteuerung, da Kapitalgesellschaften grundsätzlich mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst werden. Es stellt sich die Frage, unter welchen Umständen eine Insolvenz der Gesellschaft zu einer Nachversteuerung führt und wie eine Nachversteuerung unter Ausnutzung des Heilungstatbestands des § 13a Abs. 6 S. 3 u. 4 ErbStG bzw. eine Insolvenz durch Zuführung von Liquidität vermieden werden kann bzw. welche sonstigen Möglichkeiten in diesem Fall bestehen.
I. Problemstellung
§ 13a ErbStG gewährt bei der Unternehmensnachfolge für begünstigtes Vermögen einen Verschonungsabschlag von 85 % (Regelverschonung). Bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 13a Abs. 10 ErbStG bleiben sogar 100 % des begünstigten Vermögens erbschaftsteuerfrei (Vollverschonung), sofern der Erwerb unter Hinzurechnung bestimmter Vorerwerbe 26 Mio. EUR nicht übersteigt. Die Gewährung eines Verschonungsabschlags setzt voraus, dass es sich beim übertragenen Vermögen um begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG und nicht um sog schädliches Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 3–8 ErbStG handelt. Die Gewährung des Verschonungsabschlags ist an bestimmte, nach der Übertragung zu erfüllende Voraussetzungen geknüpft. Hierzu gehören insbesondere das Erreichen einer bestimmten Mindestlohnsumme sowie die Erfüllung bestimmter Behaltenspflichten.
Die Behaltenspflichten sind an bestimmte Fristen gebunden, welche im Fall der Regelverschonung fünf Jahre, im Fall der Vollverschonung sieben Jahre betragen. Innerhalb der Behaltensfrist dürfen insbesondere übertragene Betriebe oder Anteile an einer Kapitalgesellschaft gem. § 13a Abs. 6 Nr. 4 S. 1 ErbStG nicht veräußert werden.§ 13a Abs. 6 Nr. 4 S. 2 ErbStG bestimmt darüber hinaus, dass ein Behaltensfristverstoß auch vorliegt, wenn die Kapitalgesellschaft innerhalb der Behaltensfrist aufgelöst, ihr Nennkapital herabgesetzt wird oder wesentliche Betriebsgrundlagen der Kapitalgesellschaft veräußert werden und das Vermögen an die Gesellschafter verteilt wird. Bei einem Verstoß gegen die Behaltensfrist entfällt der Verschonungsabschlag rückwirkend, wobei der nachzuversteuernde Betrag nach § 13a Abs. 6 S. 2 ErbStG mit Ablauf eines jeden Jahres der Behaltensfrist linear abschmilzt.
Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn die Gesellschaft innerhalb der Behaltensfrist insolvent wird. Ertragsteuerrechtlich führt die Auflösung der Kapitalgesellschaft gem. § 17 Abs. 4 S. 1 EStG zu einer Veräußerung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG. Erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich führt die Auflösung der Kapitalgesellschaft zum nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags. So hat der BFH mehrfach entschieden, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft die Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 1 ErbstG a.F. für den Erwerb eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft rückwirkend entfallen lässt. Es stellt sich die Frage nach dem Anwendungsbereich des § 13a Abs. 6 Nr. 4 ErbStG. Weiterhin stellt sich die Frage, wie eine Nachversteuerung bei drohender Insolvenz der Gesellschaft vermieden werden kann.
II. Anwendungsbereich des § 13 Abs. 6 Nr. 4 S. 2 ErbStG
§ 13 Abs. 6 ErbStG soll seinem Regelungszweck nach die wesentlichen Betriebsgrundlagen einer Kapitalgesellschaft erhalten und die Übertragung von Vermögen der Gesellschaft in das Privatvermögen der Gesellschafter verhindern. Die Regelung ist daher eng auszulegen. Tatsächlich führt ein Insolvenzverfahren nicht in jedem Fall zu einer Zerschlagung des Unternehmens und damit zu einer Verteilung der wesentlichen Betriebsgrundlagen an mehrere Erwerber. Auch wird im Rahmen der Insolvenz einer Kapitalgesellschaft typischerweise kein Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter ausgeschüttet. Vielmehr reicht dieses regelmäßig nicht einmal zur Befriedigung sämtlicher Insolvenzgläubiger der Gesellschaft aus. Es stellt sich daher die Frage, ob und inwieweit § 13a Abs. 6 Nr. 4 ErbStG nicht im Hinblick auf den Gesetzeszweck teleologisch zu reduzieren ist.
Der BFH hat allerdings zu § 13a Abs. 5 Nr. 4 S. 2 Alt. 1 ErbStG a.F. entschieden, dass dessen Anwendungsbereich nicht durch teleologische Reduktion auf Fälle zu beschränken ist, in denen die Auflösung der Gesellschaft freiwillig erfolgt. Bereits zuvor hatte der BFH zu § 13 Abs. 2a S. 3 ErbStG a.F. in Zusammenhang mit einer KG festgestellt, dass dieser Nachversteuerungstatbestand die Aufgabe des Geschäftsbetriebs einer KG auch dann umfasst, wenn die Aufgabe aufgrund eines existenzbedro...