1. Genehmigung statt Aufgabenbereich
In der Reform wird der Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch den Betreuer neu geregelt. Der Vollmachtswiderruf ist nun genehmigungsbedürftig, § 1820 Abs. 5 BGB. Damit wurde von den durch den BGH aufgestellten Grundsätzen abgewichen, nach denen die Kompetenz für den Widerruf einer Vorsorgevollmacht dem Betreuer in einem eigenen Aufgabenkreis zugewiesen werden musste.
Einerseits kann kritisch gesehen werden, dass bei einem solch wichtigen Aspekt mit einem erheblichen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von der sonstigen Systematik abgewichen wird, nach welcher Aufgabenbereiche konkret zugewiesen werden müssen. Andererseits ist die neue Systematik konsequent, da sich die Vertretungsmacht des Betreuers auf alle in seinen Aufgabenkreis fallenden Tätigkeiten erstreckt, somit auch auf den Widerruf einer Vollmacht für den jeweiligen Bereich. Es korrespondiert mit den Entscheidungen zum nur teilweisen Widerruf von Vorsorgevollmachten, wenn dieser nur in beschränktem Umfang angezeigt ist. So könnte beispielsweise ein Widerruf in Vermögensangelegenheiten aufgrund von Verfehlungen bei diesen erfolgen, die Vollmacht für Gesundheitsangelegenheiten dagegen bestehen bleiben.
Das Ziel, die Selbstbestimmung des Vollmachtgebers möglichst weitgehend zu schützen, wird weiter verfolgt. Ein vorschneller Widerruf soll verhindert werden, weil eine Vorsorgevollmacht, welche widerrufen wurde, nicht wiederhergestellt werden kann. Ein Widerruf beendet die Vertretungsmacht und kann nicht zurückgenommen werden. Auch die Erteilung einer neuen Vorsorgevollmacht durch einen Betreuer oder das Betreuungsgericht ist nicht möglich.
2. Voraussetzungen
a. Nur Vorsorgevollmachten
Das Genehmigungsbedürfnis soll ausdrücklich nicht für Post- oder Kontovollmachten gelten. Interessanterweise enthält § 1820 Abs. 5 BGB mit den Worten "Vollmacht, die den Bevollmächtigten zu Maßnahmen der Personensorge oder zu Maßnahmen in wesentlichen der Vermögenssorge ermächtigt" eine Art Legaldefinition der Vorsorgevollmacht, welche eigentlich bei der Reform bewusst nicht aufgestellt wurde.
Einerseits ist die Ausnahme von Spezialvollmachten aus dem Bereich des § 1820 Abs. 5 BGB systemgerecht: In seinem Aufgabenkreis entscheidet und vertritt der Betreuer den Betreuten, § 1823 BGB. Wenn er also mit dem Aufgabenbereich der Durchsetzung einer Patientenverfügung bedacht ist, darf und muss er entscheiden, ob eine Vollmacht für diese Aufgabe für eine andere Person bestehen bleiben soll oder nicht. Wenn er mit der Regelung der Verwaltung von Eigentumswohnungen des Betroffenen betraut ist, kann er einer Hausverwaltung Vollmachten erteilen und diese widerrufen. Für den Widerruf jeglicher Vollmachten ein Genehmigungsbedürfnis zu konstituieren, würde den Aufwand für Betreuer und Gerichte erheblich erhöhen und Abläufe verzögern.
Allergings wird eine Vorsorgebevollmächtigung immer wieder ausschließlich mit einer schriftlichen Bankvollmacht durchgeführt; Vollmachten, z.B. für Ehegatten und Kinder, für andere Bereiche werden oft mündlich akzeptiert. Insofern kann die Möglichkeit zum genehmigungsfreien Widerruf weitgehende Folgen haben.
b. Hohe Anforderungen
Die Voraussetzungen für einen Widerruf sind weiter hoch, wie sie der BGH ausgeformt und der Gesetzgeber mit der Reform in § 1820 Abs. 5 S. 1 BGB kodifiziert hat. Vor einem Widerruf sind mildere Mittel zu prüfen und ggf. anzuwenden, wie z.B. die Ausübung von Auskunfts-, Rechenschafts- und Weisungsrechten. Sinn der Kontrollbetreuung ist zum einen die weitere Ermittlung einer etwaigen Ungeeignetheit und zum anderen das Einwirken auf den und Unterstützen des Bevollmächtigten, damit dieser seine Aufgabe ordnungsgemäß ausübt.
Der Schadenseintritt muss auch mit "hinreichender Wahrscheinlichkeit" zu befürchten, also nicht nur abstrakt möglich sein. Es ist eine Prognoseentscheidung anzustellen. Diese kann sich auf Handlungen oder Äußerungen des Bevollmächtigten in der Vergangenheit oder Gegenwart beziehen. Denkbar sind mangelnde Kooperation (keine Offenheit durch Auskünfte und Vorlage von Unterlagen) im Betreuungsverfahren oder gegenüber einem Kontrollbetreuer. Oder der Bevollmächtigte hat durch seine Handlungen nicht unerhebliche Schäden verursacht, lässt aber nicht erkennen, dass er sein Verhalten ändern will und auch kann.