Deininger (Hrsg.)
3. Auflage 2023
290 Seiten, 49 EUR
zerb verlag, ISBN 978-3-95661-140-7
Die Bereitschaft, aus steuerlichen Gründen Deutschland den Rücken zu kehren und in das benachbarte Ausland, insbesondere in die Schweiz, nach Österreich oder nach Italien wegzuziehen, hat in den letzten Jahren nicht nur stetig, sondern sogar ganz dramatisch zugenommen. Zogen in den Anfangsjahren des Jahrtausends nur weniger als 150.000 Menschen pro Jahr aus Deutschland weg, liegen die Zahlen zwischenzeitlich im siebenstelligen Bereich. Grund genug, die grundsätzlichen zivil- und steuerrechtlichen Aspekte sowohl aus der Perspektive des deutschen Rechts als auch aus der Perspektive der in Betracht kommenden Zuzugsstaaten etwas näher zu beleuchten.
Vor diesem Hintergrund hat es sich das Autorenteam um Herausgeber Dr. Rainer Deininger zur Aufgabe gemacht, mit dem vorliegenden Werk einen ersten grundsätzlichen Überblick zu diesen Fragestellungen vorzulegen. Gedacht ist das Buch als erste Orientierungshilfe für Auswanderungswillige und ihre rechtlichen bzw. steuerrechtlichen Berater, wobei es den Verfassern – allesamt ausgewiesene Expertinnen und Experten in ihrer jeweiligen Rechtsordnung – gelingt, sich tatsächlich auf die wesentlichen Aspekte zu konzentrieren und der Versuchung zu widerstehen, den angestrebten Überblick durch übermäßige Detailvielfalt zu verstellen.
Da das Buch die Perspektive des potenziellen deutschen Wegzüglers einnimmt, widmet es sich zunächst den einschlägigen Rahmenbedingungen nach deutschem Recht. Neben den schon seit Langem geltenden Grundprinzipien der Wegzugsbesteuerung erläutert Deininger hier auch aktuelle, neuere Entwicklungen, insbesondere die Meldepflicht bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen (§ § 138d-138 k AO), sowie die Änderungen im Bereich des § 6 AStG (i.d.F. d. ATAD-Umsetzungsgesetzes). Ebenso wird auch die grundlegende EuGH-Rechtsprechung mit ihren Auswirkungen auf die Besteuerung durch den deutschen Fiskus knapp und präzise dargestellt.
Neben den einkommensteuerrechtlichen Aspekten wird auch den Erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen Gesichtspunkten der ihnen gebührende Raum eingeräumt.
Im Anschluss folgen überblicksartige Darstellungen der steuerlichen Rahmenbedingungen in den in Betracht kommenden Zuzugsstaaten, also in der Schweiz, in Österreich sowie in Italien.
Insoweit nehmen die Betrachtungen betreffend die Schweiz den größten Raum ein. Hier werden neben den allgemeinen Charakteristika des schweizerischen Steuerrechts (Einkommensteuer, Vermögenssteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgabe, Grundstücksgewinnsteuer und Handänderungssteuer, Kirchensteuer sowie Erbschaft- und Schenkungsteuer) auch verfahrensrechtliche Besonderheiten im Zuzugsfall angesprochen, ebenso einige Aspekte des Immobilienerwerbs (durch Zuziehende).
Abgerundet wird der Überblick durch Hinweise zum zwischen der Schweiz und Deutschland bestehenden DBA sowie von steuerlichen Besonderheiten einzelner Kantone.
Der Aufbau der Erläuterungen der österreichischen Rahmenbedingungen ist im Prinzip sehr ähnlich. Insgesamt fällt das Kapitel jedoch deutlich weniger umfangreich aus, weil es sich im Wesentlichen auf die Einkommensteuer und ihre Spezifika (z.B. im Hinblick auf Kapitalgesellschaften und ihre Geschäftsführer, Spekulationsgeschäfte, Liebhaberei, "Sportler-Erlass") konzentriert.
Allerdings werden auch hier die wesentlichen Auswirkungen des bestehenden DBA erläutert, und zwar (ebenfalls) sowohl im Hinblick auf den eigentlichen Wegzug/Zuzug als auch die spätere Behandlung des Zugezogenen (also seine laufende Besteuerung).
Der Aufbau des Kapitels zu Italien ist hingegen eigenständig: Nach einer grundsätzlichen Erklärung des italienischen Einkommensteuersystems erläutert Salvatore Barba verschiedene besondere Steuerprogramme, von denen insbesondere ausländische Zuzügler profitieren können. Eine über die Erwähnung seiner Existenz hinausgehende Darstellung des DBA fehlt allerdings.
Im Anhang (immerhin 115 Seiten stark) sind die Texte der relevanten Doppelbesteuerungsabkommen abgedruckt, außerdem einige deutsche Verwaltungsanweisungen.
Dass bei einem Umfang von knapp 170 Seiten (ohne Anhang) vieles an der Oberfläche bleiben muss, versteht sich angesichts der Vielfalt der angesprochenen Themen von selbst. Dies stellt allerdings keine Unzulänglichkeit, sondern vielmehr eine Stärke des Buchs dar: denn – wie bereits das Vorwort ehrlicherweise deutlich macht – geht es hier nicht um eine detaillierte und erschöpfende Darstellung von Einzelproblemen, sondern um einen ersten Überblick, also eine Entscheidungshilfe, ob eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema Wegzug überhaupt in Betracht kommt.
Und das bietet das Werk. Die Autoren ermöglichen einen soliden Einstieg in die angesprochenen Themen. Und das in einem gut lesbaren Stil, der auch dem (noch) Nicht-Experten einen sinnvollen Einstieg ermöglicht.
Dr. Christopher Riedel, LL.M., Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht, Düsseldorf
ZErb 10/2023, S. 396 - 397