In Österreich wird das Verlassenschaftsverfahren von den Notaren als Gerichtskommissären, die diesbezüglich die für die Gerichte geltenden Vorschriften anzuwenden haben, und den Gerichten durchgeführt.
4.1 Inländische Gerichtsbarkeit
Die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) ist Voraussetzung für die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch österreichische Gerichte; die entsprechenden gesetzlichen Regelungen finden sich in der Jurisdiktionsnorm (JN).
Für die Abhandlung einer Verlassenschaft und diese ersetzende Verfahren, sofern sich aus Staatsverträgen nichts anderes ergibt, ist (siehe Tabelle):
die inländische Gerichtsbarkeit gegeben über |
keine inländische Gerichtsbarkeit gegeben über |
1. in Österreich gelegenes unbewegliches Vermögen |
1. im Ausland gelegenes unbewegliches Vermögen |
2. in Österreich gelegenes bewegliches Vermögen, wenn der Verstorbene zuletzt österreichischer Staatsbürger war oder der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte oder die Durchsetzung aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte im Ausland unmöglich ist |
2. in Österreich gelegenes bewegliches Vermögen, wenn der Verstorbene zuletzt nicht österreichischer Staatsbürger war, und seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich hatte und die Durchsetzung aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte im Ausland möglich ist |
3. im Ausland gelegenes bewegliches Vermögen, wenn der Verstorbene zuletzt österreichischer Staatsbürger war und seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte oder die Durchsetzung aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte im Ausland unmöglich ist |
3. im Ausland gelegenes bewegliches Vermögen, wenn der Verstorbene zuletzt ausländischer Staatsbürger war |
4.2 Sachliche und örtliche Zuständigkeit
Hat die Prüfung der internationalen Zuständigkeit eine Zuständigkeit österreichischer Gerichte zur Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens ergeben, richtet sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit nach autonomem österreichischem Verfahrensrecht.
Für das Verlassenschaftsverfahren sachlich zuständig sind die Bezirksgerichte.
Örtlich zuständig ist jenes Gericht, in dessen Sprengel der Verstorbene seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hatte. Lässt sich ein solcher im Inland nicht ermitteln oder ist er bei mehreren Gerichten begründet, so gehören sie vor das Gericht, in dessen Sprengel sich der größte Teil des im Inland gelegenen Vermögens des Verstorbenen befindet, sonst vor das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.
4.3 Anzuwendendes Recht
Die Zuständigkeit österreichischer Gerichte für ein Verlassenschaftsverfahren hat nicht unbedingt auch die Anwendung materiellen österreichischen Erbrechts zur Folge.
Zwar richten sich, wenn in Österreich eine Verlassenschaftsabhandlung durchgeführt wird,
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der Erbschaftserwerb (Erbantrittserklärung, Einantwortung, Erwerb von Vermächtnissen) und |
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die Haftung für Nachlassschulden (bei bedingter und unbedingter Erbantrittserklärung, Parteifähigkeit der Verlassenschaft, Verpflichtung zur Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen sowie Legaten, Nachlassseparation, Verlassenschaftskonkurs) |
nach österreichischem Recht, bezüglich aller (weiteren) Fragen der Rechtsnachfolge von Todes wegen, für die keine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung oder gesonderte staatsvertragliche oder europarechtliche Regelung besteht, ist jedoch das allgemeine Erbstatut und somit grundsätzlich das Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes relevant.
Der Erwerb dinglicher Rechte an Liegenschaften richtet sich in Bezug auf den dinglichen Erwerbsakt (Modus) und die Typengestaltung nach der lex rei sitae, was beispielsweise die Frage betrifft, ob Liegenschaftsvermögen bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers oder – wie in Österreich – erst mit Einantwortung übergeht.