Zu den Verlassenschaftsverfahren ohne Verlassenschaftsabhandlung und Einantwortung zählen – abgesehen vom Verlassenschaftskonkurs –
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das Ausfolgungsverfahren, für das die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte stets gegeben ist, |
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das Unterbleiben der Abhandlung und |
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die Überlassung an Zahlungs statt. |
7.1 Ausfolgungsverfahren (§ 150 AußStrG)
Die sogenannte "Ausfolgung" durch das Gericht dient der Einräumung des Verfügungsrechts über in Österreich gelegenes bewegliches Vermögen an eine verfügungsberechtigte Person, sofern über diese Vermögenswerte mangels internationaler Zuständigkeit nicht durch österreichische Gerichte abzuhandeln ist.
Das Gericht hat auf Antrag einer Person, die aufgrund einer Erklärung der Heimatbehörde des Verstorbenen oder der Behörde des Staates, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, zur Übernahme berechtigt ist, das in Österreich befindliche Verlassenschaftsvermögen mit Beschluss auszufolgen (zu übertragen).
Voraussetzungen des Ausfolgungsverfahrens sind: 1. bewegliches Vermögen in Österreich, 2. keine inländische Gerichtsbarkeit bzw. internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte, 3. Antrag einer Person, die aufgrund einer Erklärung der Heimatbehörde des Verstorbenen oder der Behörde des Staates, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, zur Übernahme berechtigt ist.
7.2 Unterbleiben der Abhandlung (§ 153 AußStrG)
Durch die Verfahrensart "Unterbleiben der Abhandlung" versucht der Gesetzgeber den Verfahrensaufwand bei Verlassenschaften mit unbedeutendem Vermögen entsprechend gering zu halten.
Sind Aktiva der Verlassenschaft nicht vorhanden oder übersteigen diese den Wert von EUR 4.000,– nicht und sind keine Eintragungen in die öffentlichen Bücher erforderlich, so unterbleibt grundsätzlich die Verlassenschaftsabhandlung. Das Gericht hat auf Antrag denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung zu erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazugehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.
Voraussetzungen des Unterbleibens der Abhandlung sind: 1. inländische Gerichtsbarkeit bzw. internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte, 2. kein Nachlassvermögen oder Nachlassvermögen bis zu einem Wert der Aktiva von EUR 4.000,–, 3. keine Eintragungen in die öffentlichen Bücher (zum Rechtserwerb aufgrund des Todesfalls), 4. kein Antrag einer Partei auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens.
7.3 Überlassung an Zahlungs statt (§§ 154 f AußStrG)
Der Zweck der Überlassung an Zahlungs statt liegt in der Verteilung des Vermögens einer überschuldeten Verlassenschaft entsprechend der gesetzlichen Ordnung in Form
- der quotenmäßigen Verteilung des Realisates nach Liquidierung der Verlassenschaftsmasse oder
- der Übertragung von Verlassenschaftsgegenständen.
Die Überlassung an Zahlungs statt dient nicht der Insolvenzprophylaxe oder der Sanierung oder Entschuldung der Verlassenschaft; erreicht werden soll ein der Abwicklung eines Konkurses entsprechendes Ergebnis unter Vermeidung der Kosten eines förmlichen Konkursverfahrens.
Das AußStrG enthält keine explizite Regelung darüber, wie der Wert der Aktiva zur Feststellung, ob die Verlassenschaft überschuldet ist oder nicht, zu ermitteln ist. Auszugehen sein wird diesbezüglich grundsätzlich vom Verkehrswert (bei Liegenschaften-Bewertung nach dem Liegenschaftsbewertungsgesetz [LBG]).
Voraussetzungen der Überlassung an Zahlungs statt sind: 1. inländische Gerichtsbarkeit bzw. internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte, 2. überschuldete Verlassenschaft (die Passiva müssen den Wert der Aktiva übersteigen), 3. Antrag auf Überlassung an Zahlungs statt, 4. keine unbedingte Erbantrittserklärung, 5. kein Antrag auf Überlassung als erblos ("Heimfallsrecht" des Staates), 6. kein Verlassenschaftskonkurs.
Im Detail sind beim Verfahren zur Überlassung an Zahlungs statt, vor allem bei Vorhandensein von verlassenschaftszugehörigen Liegenschaften oder Unternehmen (insbesondere bezüglich der Haftung des Erwerbers bei Erwerb aus der Verlassenschaft heraus), noch nicht alle Fragen abschließend gelöst.
Die Pflichten des Notars als Gerichtskommissär und damit auch der Gläubigerschutz sind abgestuft nach Höhe der Aktiva, wobei die relevanten Wertgrenzen bei EUR 4.000,– bzw. EUR 20.000,– liegen.