Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
Im Römischen Recht galt der Grundsatz: Nemo ex parte testatus, ex parte intestatus decedere potest. Danach gab es zwei Berufungsgründe zur Erbschaft, die einander ausschlossen: entweder Testament (ex testamento) oder gesetzliche Erbfolge (ab intestato). Niemand konnte versterben "teilweise mit Testament, teilweise ohne (ein solches)". Im das Testament verneinenden Begriff der Intestaterbfolge drückt sich dieses Entweder-Oder bis auf den heutigen Tag aus.
Der Erblasser sollte gezwungen werden, eine vollständige Nachfolgeregelung zu treffen. Vorgesehen war dafür die Akkreszenz, also die Anwachsung beim Testament, das nicht die gesamte Erbmasse erfasst. Falls nicht zur Gänze testiert wurde, kam es zur Anwachsung des Restes der Erbmasse im Verhältnis der Erbteile, die der Testator (de cuius) in seinem Testament bestimmt hatte. Folglich trat nicht die gesetzliche Erbfolge für den Rest der Erbmasse ein, sodass der römisch-rechtliche Grundsatz auch nicht umgangen wurde.
Im BGB dagegen gibt es die subsidiäre Nachlassverwaltung. Gesetzliches Erbrecht greift, sofern und insoweit die gewillkürte Nachfolge nicht eintritt, also subsidiär. Zur Vermengung der testamentarischen und gesetzlichen Erbfolge im BGB seien die folgenden Beispiele genannt:
▪ |
§ 2088 BGB: Einsetzung auf Bruchteile. |
▪ |
§ 2104 BGB: Wenn der Nacherbe nicht bekannt ist, weil der Erblasser das Erbe zeitlich begrenzt hat, dann treten die Regeln der gesetzlichen Erbfolge ein. |
▪ |
Ebenso bei § 2105 BGB bei der Vorerbschaft. |
Festzustellen ist, dass die Regelung des § 2105 BGB dem römisch-rechtlichen Grundsatz widerspricht, dass der Erbe, wenn er es einmal geworden ist, auch bleibt: Semel heres, semper heres. Dies schloss die Nacherbschaft aus.
Gehören nach BGB zur Erbschaft Aktiva und Passiva, so zählt das Römische Recht die Schulden nicht zur Erbschaft (hereditas). Dennoch ist bereits frühzeitig anerkannt, dass der Erbe für die Verbindlichkeiten, die ihm der Erbe hinterlässt, einzustehen hat. Ausnahmen sind etwa Pönalschulden, die mit dem Tod des Erblassers erlöschen. Für die Erblasserschulden haftet der Erbe den Gläubigern gegenüber unbeschränkt, d. h. auch mit eigenem Vermögen. Justinian (6. Jh.) führte zum Schutz des/der Erben gegen Überschuldung des Nachlasses die Rechtswohltat der Inventarerrichtung (beneficium inventarii) ein. Dadurch konnte die Haftung auf den Nachlass beschränkt werden.
Mehrere Erben treten mit dem Tod des Erblassers ipso iure an dessen Stelle, ohne dass es eines Antritts der Erbschaft bedurfte. Es kam also zu einem unmittelbaren "Anfall" der Erbschaft, so wie in § 1942 I BGB. Die Erbenmehrheit (sui heredes) setzte den Hausverband als genossenschaftlichen Verband der Miterben fort. Diese Gemeinschaft, die consortium sowie ercto non cito genannt wurde, bildete keine bloße Vermögensgemeinschaft, sondern ein familienrechtliches Verhältnis, das auf dem Prinzip der Gleichberechtigung der Genossen fußte. Das consortium existierte bis zu seiner einverständlichen Aufhebung oder dem Begehren der Aufhebung per Erbteilungsklage (actio familiae erciscundae), die einer der Genossen erheben durfte.
Den Erbvertrag gemäß § 1941 und den §§ 2274 ff BGB kannte das Römische Recht grundsätzlich nicht. Noch heute lehnen die romanischen Rechtsordnungen die Erbverträge ab (so z. B. Frankreich: Art. 1130 II, 1093, 1082 Code civil; Italien: Art. 458 Codice civile), während sie nach gewohnheitsrechtlicher Anerkennung im gemeinen Recht im deutschen, österreichischen und schweizerischen Recht praxisrelevant sind. Nach Römischem Recht war ein Erbvertrag nichtig, in dem der Erblasser den anderen Vertragsteil oder sogar einen Dritten zum Erben (oder Vermächtnisnehmer) bestimmte. Im Osten des Römischen Reiches hingegen, namentlich in Griechenland, blieben die Erbverträge trotz des römischen Verbotes bis zum Ausgang der Antike lebendig.