Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
Gesellschaftliche Vorstellungen werden im BGB beachtet: Das Gesetz lehrt, worauf der Testator achten muss. Auch beim Pflichtteilsrecht erinnert das Gesetz daran, dass bestimmte Angehörige (Abkömmlinge, Eltern, Ehegatte) einen Geldanspruch gegen den/die Erben haben (§ 2317 BGB). Pflichtteile sind Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 BGB) für die Erben.
Ehegattenerbrecht und LPartG berücksichtigen auch den "Lebenspartner". Dies lässt Kritik wegen Nichtberücksichtigung der nicht verpartnerten gleich- und unverheirateten verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften aufkommen. Allerdings kann dieser Kritik mit der gewillkürten Erbfolge abgeholfen werden, denn auch der Zustand der Nicht-Ehe oder der Nicht-Verpartnerung ist seitens der Partner "gewillkürt".
Das Römische Recht, seit dem XII-Tafel-Gesetz von ca. 450 v. Chr., entschied sich für die agnatische Familie, in der die Hausgewalt beim pater familias lag, die Familienmitglieder zusammen wohnten und eine Wirtschaftsgemeinschaft bildeten.
Zur agnatischen Familie gehörten alle freien Personen, die mit dem Tod des Erblassers gewaltfrei (sui iuris) wurden, seine (ehelichen) Kinder und die Kinder seiner Söhne und Sohnessöhne, soweit diese in der Gewalt des Erblassers verblieben waren. Ferner die manus-Ehefrau, d. h. die Gattin (uxor), die unter der Munt-Gewalt ihres Ehemannes stand. Nicht agnatisch und damit nicht erbberechtigt (sui heredes) waren die Kinder der Tochter sowie die Kinder der Enkelin, weil sie mit dem Erblasser nicht agnatisch verwandt waren.
Die Definition der Familie nach agnatischer Verwandtschaft barg einen großen Nachteil für die emanzipierten Kinder, d. h. solcher Kinder, die nicht mehr der Macht des pater familias unterstanden, denn diese gehörten nicht mehr dazu und konnten daher auch nicht mehr erben! Ebensowenig die manus-freie Ehefrau.
Noch das Römische Recht der klassischen Zeit (bis 250 n. Chr.) kannte die agnatische Familie, die unter der Macht ihres pater familias stand.
Unter dem Einfluss der Kirche, genauer seit Justinian (Spätklassik, frühes Mittelalter, 6. Jh.), kippte die Bestimmung der Erben von der agnatischen Familie zur komplett cognatischen Sicht des Erbrechts. Nur der mit dem Erblasser genetisch Verwandte konnte erben. Darüber hinaus zählte hierzu die (nicht verwandte) Ehefrau.
Die §§ 1589 ff BGB haben das cognatische Familienbild mit genetischer Verwandtschaft übernommen. Indes sind einige Ausnahmen und Ergänzungen anzubringen, so die juristische Fiktion der genetischen Verwandtschaft bei Adoption des § 1754 BGB sowie bei § 1592 Nr. 1 BGB, da dort fingiert wird, dass der Vater derjenige ist, der mit der Mutter verheiratet ist.