Ausgangsfall mag jener der zwei feindlichen Brüder sein. Der Kontakt zwischen diesen, aber auch zwischen dem verwitweten Vater und dem in Hamburg lebenden Sohn war spätestens seit dem Tod der Mutter vor einigen Jahren abgerissen. Der Kontakt zwischen dem Heidelberger Sohn und dem Vater war hingegen sehr gut. Nun starb der Vater. Die Brüder waren aufgrund eines Berliner Testaments Miterben zu 1/2.
Der Hamburger Sohn vermutet (natürlich), dass einiges Vermögen zwischenzeitlich verschoben wurde. Der Hamburger möchte die Wohnung des Erblassers betreten, um zu sehen, was von dem ehemaligen Inventar, wie z. B. wertvollen Bildern, Porzellan, noch da ist. Auch möchte er die Bankauszüge durchsehen, die er auch (noch) in der Wohnung vermutet. Er meldet sich schriftlich beim Bruder an; keine Antwort. Er fährt nach Heidelberg – nach einem Kontrollanruf, ob jemand da ist; niemand macht auf. Was tun? Vater und Heidelberger Sohn lebten im gleichen Haus in zwei Etagen.
§ 857 BGB: Der Besitz des Erblassers an der Wohnung geht als Mitbesitz (BGHZ 4,77, 78; Lange, Festschrift für Felgenträger, 1969, 295, 306; Staudinger/Bund, BGB, 13. Aufl. 2007, § 857 Rn 11) auf die beiden Miterben über. Alles spricht dafür, dass der Heidelberger Bruder einen Schlüssel zur Wohnung des Erblassers hat, denn wie wäre der Vater sonst unter die Erde gekommen.
Nach dem Tod des Vaters hat der Heidelberger Sohn die väterliche Wohnung betreten. Durch sein Verhalten, das mehrfache Nicht-Öffnen der Tür, bewirkt er, dass der Hamburger Bruder die väterliche Wohnung nicht betreten kann. Aber: Eine bloße Weigerung, ihm den Zutritt und tatsächlichen Besitz zu verschaffen, stellt nach hM keine Besitzentziehung dar (Staudinger/Bund aaO § 858 Rn 12; OGH MDR 1948, 472, 473). Zwar kann auch ein Unterlassen verbotene Eigenmacht sein; sie setzt aber voraus, dass eine Rechtspflicht zu einem Tun besteht (Staudinger/Bund aaO § 858 Rn 5). Das wird im vorliegenden Fall aus § 2038 Abs. 1 BGB herzuleiten sein: Die Miterben haben die Verwaltung gemeinschaftlich auszuüben und jeder Miterbe hat deshalb gegen jeden anderen einen Anspruch auf Einräumung des tatsächlichen Mitbesitzes (Staudinger/Bund aaO § 866 Rn 20).
Wenn man diese Argumentation genauer betrachtet, so wird vorausgesetzt, dass der eine Miterbe, hier der Heidelberger, den tatsächlichen Besitz schon hat. Aber das ist ja im vorliegenden Fall sehr fraglich, zumindest schwer beweisbar. Daher erscheint folgende Überlegung überzeugender: In dem Moment, in dem der Heidelberger Bruder nach dem Tod des Vaters erstmals dessen Wohnung betritt, hat er den faktischen Alleinbesitz begründet; darin kann man schon den Entzug des rechtlichen Mitbesitzes (§ 857 BGB) gegenüber dem Hamburger Bruder und Miterben erblicken. Wegen der alleinigen Zugriffsmöglichkeit auf die Wohnung hat der Heidelberger Miterbe bereits den tatsächlichen Alleinbesitz begründet. Eine Zustimmung des Hamburgers fehlt; sie ist nicht einmal stillschweigend oder konkludent erklärt worden; nur sie würde dem Verhalten des Heidelbergers den Charakter der verbotenen Eigenmacht (§ 858 BGB) nehmen ("ohne dessen Willen"). So also liegt hier ein Fall der verbotenen Eigenmacht vor.
Dass es für eine Selbsthilfe des Hamburgers gemäß § 859 Abs. 2 BGB zu spät ist – nicht "auf frischer Tat betroffen" – ist offensichtlich. Man mag an eine Klage auf Besitzeinräumung denken – das dauert aber viel zu lange.
Durch die Befristung der Ansprüche aufgrund verbotener Eigenmacht in den §§ 861 Abs. 2 und 862 Abs. 2 BGB kommt zum Ausdruck, dass diese Ansprüche eilbedürftig sind und an sich eine einstweilige Regelung bezwecken (vgl. Staudinger/Bund aaO § 859 Rn 23). Daher hält man hier eine einstweilige Verfügung für zulässig. Mit anderen Worten: Es kann durch die einstweilige Verfügung die Wiederherstellung des Besitzes verlangt werden. Besser spricht man hier von einer Befriedigungs- oder Leistungsverfügung, weil aufgrund der §§ 861, 862 ZPO die Leistung, nämlich die Wiederherstellung des Besitzes, erbracht wird. Heute bestätigt § 940 a ZPO die Zulässigkeit solcher Leistungsverfügung.
Gewöhnlich bedarf es für den Erlass einer einstweiligen Verfügung eines Verfügungsgrundes (§§ 936, 917 ZPO) und eines Verfügungsanspruchs (§§ 936, 916 ZPO). Beide sind glaubhaft zu machen (§§ 936, 920 ZPO).
Bei der einstweiligen Verfügung, die einen Fall der verbotenen Eigenmacht rückgängig macht, bedarf es keines Verfügungsgrundes, was insbesondere auch in § 863 BGB zum Ausdruck kommt: Nur aufgrund der Eilbedürftigkeit der Ansprüche aus den §§ 861, 862 BGB sind gegen diese possessorischen Ansprüche keine petitorischen Einwendungen zulässig (OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1516). Die Gegenansicht besteht auf der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes, räumt aber ein, dass er in aller Regel vorliegen wird (vgl. Staudinger/Bund aaO § 859 Rn 24). Zu prüfen ist also nur der glaubhaft gemachte Verfügungsanspruch, also das Vorliegen eines Falls verbotener Eigenmacht. Zur Glaubhaftmachung genügt auch eine Versicherung an Ei...