Der Fall mag der sein, dass der Erblasser seine Tochter zur Alleinerbin bestimmt hat. Als sie die Wohnung betreten will, die der Erblasser zusammen mit seiner Frau bewohnte, verweigert die enterbte Witwe, insbesondere wenn sie nicht die Mutter jener Tochter ist, der Erbin den Zutritt.
Eheleute haben nach hM Mitbesitz an allen gemeinsam genutzten Sachen des Haushalts und an der Wohnung und Alleinbesitz nur an dem von ihnen allein gebrauchten Gegenständen, wie z. B. der Schmuck der Ehefrau und den zu Hause befindlichen juristischen Büchern des Rechtsanwalts und Ehemanns. Dies gilt unabhängig von den Eigentumsverhältnissen am Wohnraum (BGHZ 159, 383, 385).
Der Alleinbesitz des Ehemanns ist ebenso wie dessen Mitbesitz an der Wohnung beim Erbfall auf die Tochter als Alleinerbin übergegangen (§ 857 BGB). Die Witwe benutzt nun nach dem Tod des Mannes die Wohnung allein weiter. Ist das nun schon verbotene Eigenmacht hinsichtlich der Räume, dem gemeinsam benutzten Mobiliar und der speziell dem verstorbenen Ehemann zuzuordnenden Sachen? Instinktiv sagt man: nein. Aber wo bleibt der ererbte Besitz? Die Witwe muss ja nicht gegen den Willen der Erbin handeln, für die verbotene Eigenmacht genügt es, wenn sie ohne den Willen der durch Erbfolge Besitzerin bzw. Mitbesitzerin gewordenen Tochter handelt (§ 858 Abs. 1 BGB). Sogleich eine Zustimmung der Tochter und Alleinerbin zu unterstellen, liegt vielleicht nahe, ist aber nichts anderes als eine Unterstellung, weil grundsätzlich im Nichtstun keine Zustimmung gefunden werden kann, jedenfalls nicht, wenn diese Untätigkeit nur von beschränkter Dauer ist.
Das Problem lässt sich vielleicht dadurch lösen, dass man der Witwe zunächst nur die faktische Sachherrschaft zuspricht, also den Gewahrsam. Nun kann die Tochter wohl nicht aufgrund ihres ererbten Mitbesitzes an der Wohnung verlangen, in dieser so leben zu dürfen, wie der Erblasser es getan hat. Die Begründung mag offen bleiben. Aber der Mitbesitz geht doch so weit, dass die Alleinerbin zu einer vernünftigen Zeit nach Anmeldung bei der Witwe die Wohnung betreten darf. Indem die Witwe jedes Betreten der Wohnung untersagt oder keinen Termin für einen Besuch angibt, schwingt sie sich zum Alleinbesitzer der Wohnung auf, begeht also dadurch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB). Dem kann die Erbin mit einer einstweiligen Verfügung (Befriedigungsverfügung) auf Zutritt zur Wohnung begegnen.
Während im ersten Beispiel Mitbesitz in der Form, dass beide Brüder einen Schlüssel zur Wohnung haben, sehr wohl denkbar ist, ist hier ein über das einmalige oder mehrfache Zutrittsrecht zur Wohnung der früher vom Erblasser und seiner Frau bewohnten Wohnung und ein darüber hinausgehender Alleinbesitz der Tochter als Alleinerbin am Nachlass, also den Einrichtungsgegenständen, soweit sie dem Erblasser allein gehörten, nicht denkbar. Die Alleinerbin muss die Gegenstände schon beim ersten Besuch am besten mitnehmen. Tut sie das nicht, überlässt sie diese dem alleinigen Besitz der Witwe und verliert damit die Besitzschutzansprüche. Wie es mit dem ererbten Mitbesitz an den vom Erblasser und seiner Frau gemeinsam benutzten Sachen steht, mag offen bleiben.