Leitsatz
1. Die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für eine nicht schon vorab getilgte Nachlassverbindlichkeit bleibt auch nach der Teilung bestehen.
2. Bei dem Ausgleichsanspruch eines Miterben aus den §§ 2058, 426 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen erbrechtlich begründeten Anspruch, der gem. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB der 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegt.
OLG Oldenburg, Urteil vom 5. Mai 2009 – 12 U 3/09
Sachverhalt
Die Parteien streiten über den Gesamtschuldnerausgleich hinsichtlich eines nach erfolgter Nachlassverteilung erhobenen Pflichtteilsanspruchs.
Die Parteien sind Geschwister und je zu 1/4 Miterben ihrer am ... 1998 verstorbenen Großmutter O. V. Weitere Miterbin zu 1/2 ist die Tante der Parteien, Frau H. Der Kläger, der seit 1996 Betreuer der Erblasserin war, hat nach deren Tod die Verteilung des Nachlasses übernommen und in diesem Zusammenhang im Jahre 1999 einen Betrag von 193.884,04 DM an die Beklagte ausgezahlt. Im Jahre 2000 wurde der Kläger von dem bei der Nachlassverteilung unberücksichtigt gebliebenen weiteren Sohn der Erblasserin, Herrn I. V., auf Zahlung des Pflichtteils in Anspruch genommen. Durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 18.5.2004 wurde der Kläger als Gesamtschuldner mit der Beklagten und Frau H. verurteilt, an Herrn V. 66.327,57 EUR zu zahlen. Ferner hat sich der Kläger in einem Vergleich vom 11.1.2005 verpflichtet, weitere 25.000 EUR an Herrn V. zu zahlen.
Ausgehend von einem Nachlass von 761.972,75 DM und dem sich daraus ergebenden Pflichtteilsanspruch des Herrn V. von 126.995,46 DM verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung eines Betrags iHv 1/4 des Pflichtteilsbetrags, d. h. 31.748,87 DM bzw. 16.232,94 EUR. Die Beklagte hat erstinstanzlich ggü. dem geltend gemachten Zahlungsanspruch u. a. die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass etwaige Ausgleichsansprüche des Klägers aus dem mit der Beklagten bestehenden Gesamtschuldverhältnis verjährt seien. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. (...)
Aus den Gründen
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 16.232,94 EUR verlangen.
Der Anspruch folgt aus den §§ 2058, 426 Abs. 1 BGB. Ihm steht nicht entgegen, dass der Nachlass der Erblasserin bereits im Jahre 1999 unter den Erben verteilt worden ist. Die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für eine nicht schon vorab getilgte Nachlassverbindlichkeit bleibt auch nach der Teilung bestehen (vgl. BGH NJW 1998, 682, Palandt/Edenhofer, aaO, § 2060 Rn 1). Er ist weiterhin auch nicht verjährt.
Bei dem Ausgleichsanspruch eines Miterben aus den §§ 2058, 426 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen erbrechtlich begründeten Anspruch, der gem. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB der 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegt. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist dahin zu verstehen, dass mit "erbrechtlichen Ansprüchen" alle Ansprüche gemeint sind, die sich "aus" dem mit "Erbrecht" überschriebenen Buch 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches ergeben (vgl. BGH NJW 2007, 2174). Die Vorschrift gilt dabei für den Regelungsbereich uneingeschränkt, also auch für Ansprüche der Erben untereinander (vgl. jurisPK, Lakkis, 4. Aufl. 2008, § 197 Rn 15) und damit für die durch § 2058 BGB erbrechtlich begründeten Ansprüche aus dem Gesamtschuldverhältnis der Miterben. Dies entspricht auch der gesetzgeberischen Intention bei der Neuregelung des Verjährungsrechts zum 1.1.2002. Die Aufrechterhaltung der nach § 195 BGB aF geltenden 30-jährigen Verjährungsfrist für familien- und erbrechtliche Ansprüche in § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist insbesondere damit begründet worden, "dass sich die maßgeblichen Verhältnisse mitunter erst lange Zeit nach der Anspruchsentstehung klären lassen (z. B. im Erbrecht infolge späten Auffindens eines Testamentes)" (vgl. BT-Drucks. 14/6040, 106). Diese Ausführungen sind dahin zu verstehen, dass den Parteien anders als in anderen Rechtsbereichen auf den Gebieten des Erb und Familienrechts die ihnen bisher im Verjährungsrecht zugebilligte Zeit zur gerichtlichen Geltendmachung grundsätzlich auch in Zukunft zur Verfügung stehen soll, und zwar selbst dann, wenn die maßgeblichen Verhältnisse schneller hätten geklärt werden können (vgl. BGH, aaO). Gerade für die aus § 2058 BGB folgenden Ansprüche aus dem Gesamtschuldverhältnis der Miterben gilt dabei, dass die "maßgeblichen" erbrechtlichen Verhältnisse möglicherweise erst geraume Zeit nach dem Erbfall – und damit nach Ablauf einer dreijährigen Verjährungsfrist aus § 195 BGB – abschließend geklärt werden können. Erlangt beispielsweise ein Pflichtteilsberechtigter erst mehr als drei Jahre nach dem Erbfall und nach Verteilung des Nachlasses Kenntnis von seiner Berechtigung und macht er seinen nach § 2332 Abs. 1 BGB noch unverjährten Pflichtteilsanspruch lediglich gegen einen der Erben geltend, so sind die erbrechtlichen Verhältnisse entgegen der Annahme der Erben bei Verteilung des Nachlasses noch nicht geklärt. Dem in Anspruch genommenen Miterben muss auch in diesem Falle die Möglich...