a) Vorüberlegungen
Sämtliche Vertretungsprobleme würden sich jedoch "in Luft auflösen", wenn die Anfechtung der letztwilligen Verfügung des Erblassers für den Minderjährigen ein lediglich vorteilhaftes Geschäft iSv § 107 BGB darstellen würde. Ist der Minderjährige beschränkt geschäftsfähig, könnte er die Anfechtung selbst erklären. Auch bei Vertretung durch das überlebende Elternteil stünden die §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB nicht entgegen, da das Verbot der Insichgeschäfte nach seinem Normzweck dann unanwendbar ist, wenn es dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, da hier ein Interessenwiderstreit ausgeschlossen ist und Belange Dritter nicht entgegenstehen. Dasselbe gilt auch im Rahmen des Vertretungsausschlusses gemäß § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB, der über seinen Wortlaut hinaus auch nicht für Rechtsgeschäfte eingreift, die dem Minderjährigen einen lediglich rechtlichen Vorteil iSv § 107 BGB bringen.
b) Meinungsstand
Inwiefern die Anfechtung eines Testaments eines Dritten, die aufgrund gesetzlicher Erbfolge die Erbenstellung des Minderjährigen zur Folge hätte, für diesen einen lediglich rechtlichen Vorteil beinhaltet, ist von der Rechtsprechung noch nicht ausdrücklich entschieden worden. In der bereits angesprochenen Entscheidung des RG v. 8.2.1934 wird die Vertretungsmöglichkeit des Minderjährigen durch einen Elternteil als gesetzlichen Vertreter gem. § 1629 Abs. 2, 1795 BGB problematisiert, woraus unter Berücksichtigung des Vorgesagten inzidenter geschlossen werden kann, dass das RG nicht davon ausging, dass die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung eines Dritten ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft für den in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Minderjährigen darstellt und er dieses ohne Mitwirkung seiner gesetzlichen Vertreter vornehmen kann. In der Literatur hat sich dagegen unter Berufung auf die Argumentation von Joussen die hM herausgebildet, wonach die erbrechtliche Anfechtungserklärung nach § 2081 BGB generell ein für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft darstellt. Lediglich nach einer Mindermeinung in der Literatur wird der mit der Anfechtung des Testaments verbundene Erwerb des Nachlasses als rechtlich nachteilig qualifiziert, da die mit der Erbschaft verbundene Haftung nicht nur rechtlich vorteilhaft sei.
c) Argument aus § 2080 Abs. 1 BGB
Joussen und ihm folgend die hM in der Literatur stützt seine pauschale Annahme, auf die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung sei § 107 BGB anwendbar, insbesondere auf die Vorschrift des § 2080 Abs. 1 BGB. Danach ist anfechtungsberechtigt nur derjenige, dem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde. Im Rahmen des § 2080 BGB ist gemeinhin anerkannt, dass die Erlangung eines Erbrechts als unmittelbar rechtlicher Vorteil iSd Vorschrift ausreicht. Daraus schließt die herrschende Literatur, dass, wenn Voraussetzung für die Anfechtung die Erlangung eines erbrechtlichen Vorteils ist, den der Anfechtende sonst nicht erhielte, die Folge daraus zugleich sei, dass er die Anfechtung auch nach den Bestimmungen des § 107 BGB selbst wirksam erklären könne.
Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass § 107 BGB ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft voraussetzt. Stehen dem Vorteil rechtliche Nachteile in Form der Aufgabe eines Rechts oder der Begründung einer persönlichen Verpflichtung gegenüber, ist das Geschäft auch dann zustimmungsbedürftig, wenn die Vorteile die Nachteile erheblich überwiegen. Demgegenüber reicht es für § 2080 Abs. 1 BGB bereits aus, dass durch die Aufhebung der letztwilligen Verfügung (unabhängig von den damit verbundenen rechtlichen Nachteilen) ein rechtlicher Vorteil für den Anfechtenden eintritt. Somit kann aus der Anfechtungsberechtigung des Minderjährigen gerade nicht (wie es die hM tut) zwingend auch auf die lediglich rechtliche Vorteilhaftigkeit der Anfechtung gefolgert werden. Insofern stellt es eine petito principii dar, wenn die herrschende Meinung von der Anfechtungsberechtigung des Minderjährigen auf die Voraussetzung...