3.1 1. Die Stiftung liechtensteinischen Rechts und der Durchgriff
Die vom OLG Düsseldorf im vorliegenden Fall angewandte Durchgriffshaftung nach liechtensteinischem Recht im Stiftungskontext ist auch eine Reaktion der Judikative auf das liberal ausgestaltete Stiftungsrecht und die Kreativität der Rechtsdienstleister, die in einer über lange Jahre fortentwickelten Stiftungspraxis den Bedürfnissen in- und ausländischer Stifter nach Anonymität und Diskretion nachkamen (Müller/Bösch, in: Richter/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, 2007, S. 1082 ff). Die im (alten) liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) anzutreffenden Regelungen über Stiftungen trugen wenig zur Konturierung des liechtensteinischen Stiftungsbegriffs bei und boten einen Nährboden für wildwuchsgleiche Tendenzen in der Stiftungsgestaltung (Santo-Passo, Liechtensteinische Juristenzeitung [LJZ] 2005, 2). Mithin drohten die letzten Konturen des Instituts Stiftung gänzlich zu verschwimmen. Dieser (Fehl-)Entwicklung trat der Liechtensteinische Oberste Gerichtshof (FL OGH) in den letzten Jahren vermehrt entgegen. Teilweise jedoch mit widersprüchlichen Intentionen, was Rechtsunsicherheit förderte. Nicht zuletzt der im Ausland wachsende Argwohn gegenüber dem liechtensteinischen Stiftungswesen veranlasste schließlich den Gesetzgeber zur sogenannten Totalrevision des Stiftungsrechts. Mit diesem neuen Stiftungsrecht, das am 1.4.2009 in Kraft trat, wurden unter Beibehaltung des privatstiftungsrechtlichen Charakters die traditionell gewachsenen Stiftungsausgestaltungen kodifiziert und zugleich im alten Recht wurzelnde Rechtsunsicherheiten beseitigt (siehe zu Einzelheiten des neuen Rechts Jakob, Die liechtensteinische Stiftung, 2009, passim; Lennert/Blum, ZEV 2009, 171 ff, sowie zum alten Recht Müller/Bösch, in: Richter/Wachter, S. 1063 ff). Im vorliegenden Fall ist vom Grundsatz her das alte Recht anzuwenden (Art. 1 Abs. 1 Übergangsbestimmungen, LGBl 2008 Nr. 220).
3.2 2. Kontrollierte Stiftungen als objektive Komponente
Die vom OLG Düsseldorf behandelte stiftungsrechtliche Durchgriffsthematik ist zugleich die der sogenannten kontrollierten Stiftungen. Damit ist keine eigenständige Stiftungsart nach liechtensteinischem Recht gemeint, sondern eine für das Fürstentum Liechtenstein typische Ausgestaltungsform, die die vom Gesetzgeber installierten Öffnungen des liechtensteinischen Stiftungsbegriffs (z. B. der Widerrufsvorbehalt, Art. 559 Abs. 4 PGR aF = Art. 552 § 30 PGR) als auch die der Rechtspraxis entsprungenen Errichtungsausgestaltungen (z. B. fiduziarische Stiftungserrichtung = Art. 552 § 4 Abs. 3 PGR nF und Mandatsvertrag) in sich vereinigt und dem Stifter dadurch eine Kontrolle der Stiftung nach Errichtung ermöglicht. Da die einzelnen Kontrollrechte für Stifter normiert sind und die der Rechtspraxis entsprungenen Stiftungsvariationen vom FL OGH und vom Staatsgerichtshof des Fürstentums Liechtenstein (StGH) als zulässig angesehen werden, sprechen gegen eine Kombination rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten keine Bedenken (vgl. zum Widerrufs- und Änderungsvorbehalt: FL OGH v. 6.12.2001, Liechtensteinische Entscheidungssammlung [LES] 2002, 41, 52, sowie zur fiduziarischen Stiftungserrichtung und zum Mandatsvertrag: StGH v. 3.12.1998, LES 1999, 231, 240; FL OGH v. 4.10.2001, LES 2002, 163, 167). Dem ursprünglichen Wesen der Rechtsform Stiftung entsprechen die kontrollierten Stiftungen freilich nicht, allerdings basiert das Stiftungsrecht des Fürstentums Liechtenstein auf einem Privatstiftungsmodell, das die Perpetuierung privatnütziger Anliegen ermöglicht und nicht die Gemeinnützigkeit zum Dogma erhebt (rechtsvergleichend hierzu Jakob, in: Münch Hdb. GesR Bd. V § 119 Rn 13 ff). Dies konstatierte auch der FL OGH und wies darauf hin, dass die Abkehr vom ursprünglichen Stiftungsbegriff eine gesetzgeberische Entscheidung sei (FL OGH v. 6.12.2001, LES 2002, 41, 52). Genau besehen, überschreiten diese Gestaltungsvarianten nicht nur die Grenzen des Stiftungsbegriffs, sondern stellen zugleich Durchbrechungen des stiftungsrechtlichen Trennungsprinzips dar, das – wie auch im deutschen Recht – die endgültige Trennung des Stifters von Stiftung und gewidmeten (Stiftungs-)Vermögen statuiert. Allerdings ist dieses in Liechtenstein kein originäres Stiftungsspezifikum, sondern jenes beherrscht als gesellschaftsrechtliches Grundprinzip das Recht der juristischen Personen generell und bestimmt rechtsformübergreifend die zuordnungsrechtliche Trennung von Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen, vgl. Art. 106, 109 und 110 PGR (FL OGH v. 3.5.2000, LES 2000, 192, 196; Müller/Bösch, in: Richter/Wachter, S. 1074 f). Ausnahmen von diesem Grundsatz erfolgen aufgrund des Gläubigerschutzes in Form des (gesellschaftsrechtlichen) Durchgriffs im Fall einer primär zweckwidrigen Verwendung der juristischen Person und somit bei Rechtsformmissbrauch (FL OGH v. 1.10.2009, LES 2010, 94, 98. Siehe zu den Nebeneffekten bei Errichtung einer kontrollierten Stiftung durch ausländische Stifter Jakob, in: Münch Hdb. GesR Bd. V § 119 Rn 139 ff, zur steuerrechtlichen Anerkenn...