Gegen diese Lösung ist in jüngster Zeit vereinzelt vorgetragen worden, dass die Abschmelzung des eigenen Geschenkwerts des Letztbeschenkten bei der Ermittlung seines Haftungsumfangs unbeachtet bleiben müsse. Aus ihr ergebe sich keine Begrenzung, sodass P – trotz der bei seiner Schenkung vorzunehmenden Abschmelzung – auch für den über die 5.000 EUR hinausgehenden Betrag von 2.500 EUR "verpflichtet" sei iSv § 2329 Abs. 3 BGB. Die Verpflichtung stelle auf den tatsächlich erhaltenen Wert ab, und die Norm sei vom Reformgesetzgeber nicht angetastet worden. Zudem spreche der Verweis auf das Bereicherungsrecht für eine volle Haftung des Letztbeschenkten, da auf die tatsächlich vorhandene Bereicherung abzustellen sei. Der Letztbeschenkte werde allein durch den Einwand der Entreicherung geschützt, § 818 Abs. 3 BGB.
a) Das Abstellen auf die Bereicherung beim Letztbeschenkten
Der Gegenansicht kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Wenn man ihr Argument der Bereicherung des Letztbeschenkten ernst nimmt und konsequent umsetzt, müsste man auch noch nach mehr als zehn Jahren einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten zulassen, solange sich nur irgendwie eine Bereicherung bei ihm nachweisen ließe. Dies lehnt die ganz herrschende Meinung aber zu Recht ab. Schon vor dem Inkrafttreten der Erbrechtsreform war klar und weitestgehend unbestritten, dass die Zehnjahresgrenze des § 2325 Abs. 3 BGB auch dem Beschenkten zugute kommt. Das versteht sich eigentlich von selbst, denn die Haftung nach § 2329 BGB setzt einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach den §§ 2325, 2326 BGB voraus, der seinerseits den Tatbestandsvoraussetzungen des § 2325 Abs. 3 BGB gerecht werden muss. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass der Beschenkte nur wegen des Betrags haftet, den der Berechtigte als Ergänzung nach § 2325 BGB verlangen kann.
b) Rechtssystematik
Ferner ist nicht recht einsehbar, weshalb die Gegenansicht den Abs. 3 des § 2325 BGB gewissermaßen aufspaltet. Nur S. 2 soll danach im Anwendungsbereich des § 2329 BGB zugunsten des Letztbeschenkten gelten, nicht jedoch auch der die neue Pro-rata-Regelung enthaltende S. 1. Da der Gegenansicht daher schon aus systematischen Gründen nicht gefolgt werden kann, geht auch ihr Hinweis auf die Nichtänderung der Vorschrift durch den Reformgesetzgeber fehl. Nach altem Recht kam der Beschenkte in den Genuss der Zehnjahresgrenze des § 2325 Abs. 3 BGB. Infolge der Einführung des Abschmelzungsmodells ist es nur konsequent und rechtssystematisch geboten, die Haftung des Beschenkten nicht mehr nur durch § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB, sondern gleichfalls durch die Pro-rata-Regelung des § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB zu begrenzen.
In diesem Zusammenhang vermag auch nicht der sachlich an sich zutreffende Hinweis weiter helfen, dass der Ergänzungsanspruch gegen den Beschenkten auf demjenigen gegen den Erben aufbaue und lediglich eine "Richtungs- oder Haftungsverlagerung" hin zu dem Beschenkten bewirke, sodass der Letztbeschenkte stets in voller Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Erben haften müsse. Die Ansprüche aus § 2325 BGB und den §§ 2325, 2329 BGB sollen den Pflichtteilsberechtigten in die Lage versetzen, seinen Ergänzungsanspruch erfüllt zu bekommen, unabhängig davon, ob der Erbe oder die Beschenkten die Ergänzung zu leisten haben. Demzufolge findet mit den §§ 2325, 2329 BGB eine "Haftungsverlagerung" zwischen den Schuldnermehrheiten der Erben und der Beschenkten statt. Die Beschenkten haben zusammen in dem Maße einzustehen, wie der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist. § 2329 Abs. 3 BGB ordnet insofern nur den Haftungsvorrang des Letztbeschenkten an, besagt aber nicht, dass dieser in Höhe des gesamten gegen den Erben gerichteten Pflichtteilsergänzungsanspruchs haften müsse.
c) Das Verhältnis der Beschenkten untereinander
Betrachtet man das Haftungsverhältnis der Beschenkten untereinander genauer, so könnte man den Vorwurf erheben, dass sich bei der hier favorisierten Ansicht tendenziell die Gefahr eines Rückgriffs für den Erstbeschenkten erhöht. Darin könnte ein Verstoß gegen den Grundsatz der Posteriorität liegen, der auf dem Gedanken beruht, dass sich durch Zeitablauf die Bestandskraft der Schenkung immer mehr ve...