a) Sittenwidrige Zugriffssperre durch Testamentsvoll- streckung?
Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte folgt einhellig dieser Generallinie.
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht lässt es an Deutlichkeit nicht fehlen, wenn es im Leitsatz ausspricht: Eine Erbschaft steht nicht als einzusetzendes Vermögen im Sinne des § 88 Abs. 1 BSHG zur Verfügung, wenn dem Erblasserwillen zu entnehmen ist, dass der Nachlass nicht für die Bestreitung der allgemeinen Unterbringungskosten eines im Heim lebenden Behinderten verwendet werden soll. Darin erkennt es ausdrücklich an, dass die Zugriffssperre durch Testamentsvollstreckung nicht sittenwidrig ist, vielmehr anerkennenswerten Zielen folgt.
Exemplarisch sei ferner das OVG Saarland vom März 2006 angeführt. Die Erblasserin hatte ihre behinderte Enkelin durch notarielles Testament zur Alleinerbin eingesetzt und Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, die die lebzeitige rechtliche Verwertbarkeit des ererbten Vermögens hinderte. Erst das Oberverwaltungsgericht setzte dem Streben des Sozialhilfeträgers, nach dem Tod der Großmutter die Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten ihrer vollstationären Heimunterbringung zu unterbinden, ein Ende.
b) Nachlassumfang als Sittenwidrigkeitsgrenze
Bei der nicht abschließend geklärten Frage, ab welchem Nachlassumfang die Sittenwidrigkeitsgrenze erreicht sein könnte, ist gegenüber den Ausführungen dieses Oberverwaltungsgerichts allerdings kritische Distanz geboten: Es hat, obiter dicta, erwogen, dass dies der Fall sein könne, wenn der Wert des Nachlasses eindeutig ausreiche, sowohl die Kosten der Heimunterbringung als auch die dem Behinderten zugedachten Vorteile bei normaler Lebenserwartung sowie die Testamentsvollstreckervergütung aufzubringen.
§ 138 BGB greift indes nicht schon, wenn – gleichsam buchhalterisch festzustellen – der Gesamtkostenaufwand aus Heimunterbringung plus Zusatzvorteilen den Nachlasswert erreicht. Erst bei einem deutlichen Missverhältnis zwischen den von der Familie durch die Behinderung über möglicherweise eine lange Zeit insgesamt zu schulternden Lasten und dem abzuschirmenden Familienvermögen wird die von § 138 BGB abstrakt gezogene Grenze erkennbar.
Der Senat brauchte sich noch nicht konkret damit zu befassen, ab welchem Nachlassvolumen der Ausübung erbrechtlicher Gestaltungsrechte Grenzen gesetzt sein könnten. Der Grundsatzentscheidung von 1993 lässt sich aber zumindest entnehmen, dass diese Grenze nicht schon dann erreicht ist, wenn die Versorgung der behinderten Person allein mit dem Pflichtteil auf Lebenszeit gerade mal sichergestellt wäre. Die Schwelle dürfte unter der Regie des § 138 BGB erheblich darüber liegen.