Fall 2 (Haftungsbegrenzung nach § 27 II HGB): Erblasser E betrieb als Einzelkaufmann ein Miederwarengeschäft. Erbe X hat das Geschäft zunächst unter der bekannten Firma "E. Miederwaren" fortgeführt. Als X die Bücher durchsieht, bemerkt er, dass aufgrund ausbleibender Stammkundschaft und neuartiger Vertriebsformen im Internet der Betrieb nicht rentabel ist. Er stellt deshalb nach zwei Monaten (Variante: nach fünf Monaten) den Geschäftsbetrieb ein. E hatte noch Mietschulden bei dem Vermieter des Ladenlokals V. Außerdem hatte X noch einen Posten Unterwäsche bei Lieferant L geordert. Gegenüber V und L wendet X zutreffend ein, der Nachlass sei überschuldet.
Zu unterscheiden sind wieder handelsrechtlicher und erbrechtlicher Haftungsansatz. Für die Altverbindlichkeiten des Erblassers haften die Erben mit dem Nachlass, aber auch mit ihrem Eigenvermögen. Dabei lässt sich die erbrechtliche Haftung auf den Nachlass begrenzen. Eine Beschränkung der Haftung ist handelsrechtlich nur möglich, wenn der Haftungsausschluss unverzüglich in das Handelsregister eingetragen wird, spätestens innerhalb von 3 Monaten nach Kenntnis des Anfalls der Erbschaft (27 Abs. 2 S. 1 HGB). Die Enthaftung setzt ferner voraus, dass die unternehmerische Tätigkeit nach 27 Abs. 2 HGB eingestellt wird.
Im Fall bedeutet dies, dass X für die Altverbindlichkeiten nach §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 1 HGB haftet, soweit nicht binnen drei Monaten der Geschäftsbetrieb eingestellt wird. Diese Haftung tritt neben die erbrechtliche und beschränkbare Erbenhaftung. Die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) kann insoweit nicht geltend gemacht werden. Auch eine Ausschlagung der Erbschaft beseitigt die handelsrechtliche Haftung als Firmenfortführer nicht. Soweit X aber im Grundfall vor Ablauf von drei Monaten die Fortführung des Geschäfts einstellt, entfällt die Haftung nach § 27 Abs. 2 HGB. In der Variante ist es dafür aber nach fünf Monaten zu spät.
Für Neuverbindlichkeiten (gegenüber L aus der Warenlieferung) haftet der Erbe in aller Regel persönlich. Man spricht hier von Nachlasserbenschulden. Darunter versteht man die Schulden, die der Erbe bei Fortführung des Handelsgeschäfts, gegebenenfalls bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs nach § 27 Abs. 2 HGB, begründet. Nur selten wird ihm rechtsgeschäftlich die Beschränkung des Geschäfts ausschließlich auf den Nachlass gelungen sein. Überwiegend lehnt man eine Anwendung von § 27 Abs. 2 HGB auf solche Nachlasserbenschulden ab. § 27 Abs. 2 HGB gelte daher nur für die echten früheren Geschäftsverbindlichkeiten. Der Erbe haftet danach auch im Fall einer Nachlassinsolvenz persönlich unbeschränkbar weiter für diese Fortführungsverbindlichkeiten. Gegen die Insolvenzmasse stehe ihm aber ein privilegierter Aufwendungsersatzanspruch zu (§ 1978 Abs. 3 InsO; § 324 Abs. 1 Nr. 1 BGB) zu. Anders sei dies zu beurteilen, wenn der Erbe bei der Vornahme des Geschäfts deutlich mache, dass er keine persönliche, sondern ausschließlich eine nachlassbezogene Verbindlichkeit begründen wolle. Bei der Annahme eines solch begrenzten Verpflichtungswillens ist die Rechtsprechung großzügig verfahren, hat es etwa ausreichen lassen, dass der Erbe unter der (vom eigenen Namen des Erben verschiedenen) Firma des Erblassers aufgetreten ist.
Nach einer Gegenauffassung wird die Nachlasserbenschuld indes ebenfalls in die Möglichkeit der Haftungsvermeidung aus § 27 Abs. 2 HGB einbezogen. Sonst würde der (zunächst) fortführende Erbe unter Umständen seine Existenz gefährden. Die Nachlasserbenschuld werde allgemein als Nachlassverbindlichkeit eingeordnet. Dann sei es konsequent, auch insoweit § 27 Abs. 2 HGB anzuwenden. Auch der Vergleich zum erbrechtlichen Erwerb eines Komplementäranteils spricht für diese Auffassung: § 139 Abs. 4 HGB ermöglicht es, im Fall einer Umwandlung des Anteils in einen KG-Anteil erbrechtliche Haftungsbeschränkungen auch für die Nachlasserbenschulden geltend zu machen. Es leuchtet nicht ein, weshalb dann im Fall der Erwerbs eines einzelkaufmännischen Unternehmens neben die beschränkbare Erbenhaftung eine nach § 27 Abs. 2 HGB unbeschränkbare handelsrechtliche Haftung treten soll. Diese wird vermieden, wenn man § 27 Abs. 2 HGB auch auf Nachlasserbenschulden anwendet.
Umstritten ist, ob daneben auch der Nachlass für solche Verbindlichkeiten haftet. Relevant ist dies neben den Fällen von § 27 Abs. 2 HGB auch bei einer Insolvenz des Erben. In beiden Fällen kann der gegen den Erben gerichtete Anspruch nicht mehr realisiert werden. Teilweise wird dies abgelehnt: Auch im Normalfall der Nachlasserbenschuld finden die Beschränkungen von §§ 1975 ff, 1990 BGB keine Anwendung. Der Erbe begründet bei der Vornahme von Nachlassgeschäften eine eigene und eine nachlassbezogene Schuld (einheitliche Schuld mit doppeltem Haftungsgegenstand). Überwiegend wird dies aber im Rahmen von § 27 HGB bejaht: Die Fortführungsprüfung sei im Interesse aller Beteiligten möglichst frei von persönlichen Haftungsrisiken zu ermöglichen (arg. § 139 Abs. 4 HGB: Auch hier findet ...