Fall 3 (Haftungsbegrenzung nach § 25 II HGB): Erbe X sucht bereits zwei Wochen nach dem Erbfall anwaltlichen Rat. X ist der Meinung, er könne binnen weniger Monate nicht absehen, ob die Fortführung der Geschäfte rentabel ist. Die Bücher von E seien nicht geordnet. Er benötige einen längeren Überprüfungszeitraum und wolle die Geschäfte solange fortführen. Auf den bekannten Firmennamen möchte X nicht verzichten. Was wird der RA ihm raten?
§ 27 Abs. 2 HGB gibt die Möglichkeit, die persönliche Haftung durch Geschäftseinstellung binnen drei Monaten zu vermeiden. Auf den Lauf der Frist findet bei nicht unbeschränkt geschäftsfähigen Personen ohne Vertreter die Ablaufhemmung von BGB § 210 Anwendung. Nach § 27 Abs. 2 S. 3 HGB ist auch eine verlängerte Ausschlagungsfrist (etwa § 1944 Abs. 2, 3 BGB) zu beachten (Ablaufhemmung). All dies hilft X aber nicht.
Nach § 27 Abs. 1 HGB wird aber nicht nur auf § 25 Abs. 1 HGB, sondern auch auf § 25 Abs. 2 HGB verwiesen. Nach hM kann daher auch ohne Geschäftseinstellung eine Haftungsbeschränkung herbeigeführt werden. Dazu ist eine einseitige nicht empfangsbedürftige Haftungsbeschränkungserklärung des Erben erforderlich. Diese ist in das Handelsregister einzutragen und bekannt zu machen. Diese erfordert auch keine entsprechende Anordnung in Testament oder Erbvertrag.
Die Gegenauffassung kritisiert die damit geschaffene zeitlich praktisch unbegrenzte Fortführungsmöglichkeit des Handelsunternehmens durch den Erben mit gleichzeitiger Beschränkung der Haftung auf den Nachlass. § 25 Abs. 2 HGB ermöglicht so, was § 27 Abs. 2 HGB gerade verhindern wolle. Allerdings bezahlt der Erbe für diese Haftungsbegrenzungsmöglichkeit mit seiner Bonität, die unter der mehr oder weniger unverhohlenen Ankündigung einer Nachlassinsolvenz leiden wird.
Umstritten ist weiter, ob der Erbe die einseitige Haftungsbegrenzungserklärung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, abzugeben hat. Gerade im Kontext von § 27 Abs. 2 HGB sollte aber eine Abgabe innerhalb der Drei-Monats-Frist ausreichen. Andernfalls könnte sich der Erbe nicht die erforderliche und in § 27 Abs. 2 HGB auch vorgesehene Zeit für die Erstellung der Fortführungsprognose nehmen. Er müsste vielmehr eine bonitätsschädigende Erklärung nach §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 2 HGB abgeben, bevor er das Unternehmen geprüft hat. Wendet man mit der hier vertretenen Auffassung § 27 Abs. 2 HGB sodann auch auf Nachlasserbenschulden an, führt dies freilich zu der Konsequenz, dass der Gläubiger einer solchen Nachlasserbenschuld im Fall des Ausschlusses der handelsrechtlichen Haftung auch mit einer Beschränkung der erbrechtlichen Haftung rechnen muss. Dies ist ihm aber innerhalb des begrenzten Drei-Monats-Zeitraumes durchaus zuzumuten. Die Situation wäre vergleichbar, wenn noch der Erblasser selbst entsprechende Verbindlichkeiten vor seinem Ableben begründet hätte. Für nach Ablauf der Drei-Monats-Frist begründete Nachlasserbenschulden ist die Haftungssituation auch für potenzielle Gläubiger aus dem Handelsregister ersichtlich, sodass auch insoweit vorgebrachte Bedenken gegen die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 2 HGB nicht durchschlagen.
Im Fall bedeutet dies, dass der Erbe innerhalb von drei Monaten jedenfalls eine einseitige Haftungsbegrenzungserklärung nach §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 2 HGB abgeben muss. Diese muss er in das Handelsregister eintragen und bekannt machen oder den Gläubigern mitteilen. Das Handelsunternehmen kann er sodann – mit dieser Bonitätsbelastung – theoretisch unbefristet fortführen. Eine persönliche (handelsrechtliche) Haftung scheidet damit aus. Die bestehende erbrechtliche Haftung kann beschränkt werden.