Leitsatz
Die Zuwendung eines Wohnungsrechts an dem als Familienheim genutzten Wohnhaus stellt keinen steuerbegünstigten Erwerb eines Familienheims im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4 b S. 1 ErbStG dar. Eine solche Steuerbegünstigung wird ausschließlich dann gewährt, wenn der längerlebende Ehegatte von Todes wegen in zivilrechtlicher Hinsicht endültig Eigentum an der Immobilie erwirbt und dieses selbst bewohnt.
BFH, Urteil vom 3. Juni 2014 – II R 45/12
Sachverhalt
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist zu 1/3 Miterbin ihres im August 2009 verstorbenen Ehemanns (E). Weitere Miterben sind die beiden Kinder des E.
Zum Nachlass gehörte u. a. ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. Entsprechend den testamentarischen Verfügungen des E wurde das Eigentum an diesem Grundstück jeweils zur Hälfte an die beiden Kinder übertragen und der Klägerin unentgeltlich ein lebenslanges, dinglich gesichertes Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an der in dem Haus befindlichen Wohnung eingeräumt, die die Klägerin und E bis zu dessen Tod gemeinsam bewohnt hatten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) vertrat die Auffassung, die Steuerbefreiung für Familienheime gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sei auf den Erwerb von bloßen Wohnungsrechten nicht anwendbar, und bezog daher den Kapitalwert des der Klägerin eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts in die Ermittlung von deren steuerpflichtigem Erwerb ein. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG sei auf den Erwerb eines bloßen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts weder dem Wortlaut nach noch entsprechend anwendbar. Die Beschränkung der Steuerbefreiung auf den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim sei verfassungsgemäß. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2220 veröffentlicht.
Mit der Revision wendet sich die Klägerin gegen diese Auffassung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht regt sie an, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. September 2012 II R 9/11 (BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899) gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.
Durch den während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 14. Dezember 2012 erklärte das FA die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) für vorläufig hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 14. Dezember 2012 dahingehend zu ändern, dass der steuerpflichtige Erwerb ohne Berücksichtigung des Kapitalwerts des ihr eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an der Familienwohnung ermittelt und die Erbschaftsteuer entsprechend herabgesetzt wird. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Aus den Gründen
II. (...)
III. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Zuwendung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an die Klägerin unterliegt als Erwerb von Todes wegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b Satz 1 ErbStG steht der Klägerin nicht zu.
1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b Satz 1 ErbStG bleibt u. a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück iSd § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch den überlebenden Ehegatten steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Der Erwerber kann die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b Satz 2 ErbStG jedoch nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Dritter in diesem Sinn kann auch ein Miterbe sein (aA für die vorliegende Fallgestaltung Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13 Rn 68). Erfüllt der Dritte die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4 c ErbStG, steht ihm die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift zu.
2. Die von Todes wegen erfolgte Zuwendung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an einer vom Erblasser bis zum Eintritt des Erbfalls zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung an den überlebenden Ehegatten erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b Satz 1 ErbStG.
a) Nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift ausdrücklich den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Die Begriffe "Eigentum" und "Miteigentum" sind dabei im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Wie sich auch aus ...