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Mit Datum vom 14. August 2015 hat die Bundesregierung dem Bundesrat einen am 8. Juli 2015 durch das Kabinett verabschiedeten Gesetzesentwurf zum Erbschaftsteuergesetz vorgelegt (BR-Drucks 353/15). Der Gesetzesentwurf (nachfolgend "ErbStRG") basiert, mit Ausnahme redaktioneller Änderungen, auf dem Referentenentwurf vom 1. Juni 2015 und soll das Erbschaftsteuergesetz verfassungskonform an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 17. Dezember 2014 anpassen. Schwerpunkt der nachfolgenden Analyse bildet die Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Hinblick auf das begünstigte sowie das nicht begünstigte Vermögen. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Hochschleusung des nicht begünstigten Vermögens ("Boost-Effekt") zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Unternehmensvermögen gegenüber Privatvermögen führen kann. Diese Form der Ungleichbehandlung ist verfassungswidrig. Die Ausschüsse des Bundesrates haben sich zu dieser Frage in ihrer Empfehlung vom 15. September 2015 (BR-Drucks 353/1/15) nicht geäußert. Dies ist angesichts dessen, dass der Bundesrat offensichtlich dazu neigt, mit aller Macht am Positivkatalog des Verwaltungsvermögens festzuhalten, auch nur folgerichtig.
A. Begünstigtes Vermögen im Sinne des §13 b ErbStRG
1. Begünstigungsfähiges Vermögen
§ 13 b Abs. 1 ErbStRG definiert das begünstigungsfähige Vermögen. Dieses kommt als Gegenstand der steuerlichen Verschonung nach den §§ 13 a, 13 c oder 28 a ErbStRG in Betracht. Das begünstigungsfähige Vermögen umfasst, wie bisher, nach § 13 b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG land- und forstwirtschaftliches Vermögen in EU/EWR-Staaten, Betriebsvermögen in EU/EWR-Staaten sowie Anteile an Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland oder der EU/EWR von mehr als 25 %. Vom BVerfG nicht beanstandet und insoweit erhalten blieb zudem die Möglichkeit der Poolung von Anteilen an Kapitalgesellschaften zur Erreichung der Mindestbeteiligungsquote.
Eine Änderung erfährt hingegen die Behandlung gewerblich geprägter Personengesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Diese sind nur insoweit begünstigungsfähig, als sie selber begünstigungsfähige Beteiligungen an anderen Personengesellschaften oder begünstigungsfähige Anteile an Kapitalgesellschaften halten (§ 13 b Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStRG). Der Gesetzgeber reagiert damit auf die durch gewerblich geprägte Personengesellschaften eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten für lediglich vermögensverwaltende Tätigkeiten. Diese werden von der Begünstigung ausgeschlossen. Der Sinn dieser Regelung erschließt sich nicht. Nach der Einführung des Hauptzweckansatzes gehören Wirtschaftsgüter, die eine gewerblich geprägte Personengesellschaft neben der oben genannten Beteiligung hält, ohnehin nicht zum begünstigten Vermögen. Freilich liegt insoweit kein begünstigungsfähiges Vermögen vor, als das Vermögen der gewerblich geprägten Holding in der Rechtsform der GmbH & Co. KG aus sonstigen Bilanzposten wie z. B. Kasse, Forderungen oder Wertpapieren besteht. Gerade diese Struktur ist jedoch im Falle einer Familienholding in der Praxis oft anzutreffen.
Für Kapitalgesellschaften enthält § 13 b Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStRG eine vergleichbare Regelung, der zufolge Kapitalgesellschaftsanteile, deren Vermögen ausschließlich aus Beteiligungen an Personengesellschaften oder Anteilen an anderen Kapitalgesellschaften besteht, begünstigungsfähig sind, soweit diese wiederum begünstigungsfähige Beteiligungen an Personengesellschaften oder Anteile an Kapitalgesellschaften halten.
2. Begünstigtes Vermögen
Mit der Abkehr vom Positivkatalog des Verwaltungsvermögens und der Aufgabe des bisher gültigen "Alles-oder-Nichts-Prinzips" sollen nach der Gesetzesbegründung missbräuchliche Gestaltungsmöglichkeiten vermieden werden. Es soll eine zielgenaue Abgrenzung des begünstigten vom nicht begünstigten Vermögen erreicht werden.
Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 17.12.2014 beanstandet, dass die Verschonung betrieblichen Vermögens nach § 13 a ErbStG auch dann eintreten kann, wenn das verschonte betriebliche Vermögen einen Verwaltungsvermögensanteil von 50 % aufweist. Daher finden die grundsätzlich weiterhin gültigen Verschonungsabschläge von 85 % (Regelverschonung) oder 100 % (Vollverschonung) nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich auf das begünstigte Vermögen Anwendung.
Das Verwaltungsvermögenskonzept mit seiner Regel-Ausnahme-Rückausnahme-Technik wurde vom BVerfG nicht beanstandet. Gleichwohl soll die Abgrenzung des begünstigten Vermögens in Zukunft positiv nach dem Hauptzweckansatz erfolgen. Der höhere Verwaltungsaufwand wird dabei hingenommen. Zum begünstigten Vermögen gehören nach § 13 b Abs. 3 Satz 1 ErbStRG alle Teile des begünstigungsfähigen Vermögens eines Betriebs, die im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) jeweils überwiegend einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1 iVm Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm Abs. 2 oder § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG als Hauptzweck dienen. Nicht dem Hauptzweck dienen indes diejenigen Teile des begünstigungsfähigen Vermögens, die ohne die eigentliche betriebliche Tätigkeit zu beeinträchtigen aus dem Betriebsve...