Leitsatz
Gemäß § 6 Abs. 2 S.1 BtBG ist die Betreuungsbehörde befugt, Unterschriften oder Handzeichen auf (transmortalen) Vorsorgevollmachten öffentlich zu beglaubigen. Eine solche gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG öffentlich beglaubigte Vorsorgevollmacht entspricht dabei den Anforderungen des § 29 GBO.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. September 2015 – 11 Wx 71/15
Sachverhalt
I. Im Grundbuch von H. Nr. X. betreffend die Gebäude- und Freifläche I. und die Landwirtschaftsfläche I. in H. ist Frau S. als Eigentümerin eingetragen.
Frau S. errichtete am 26.8.2011 eine "Allgemeine und Vorsorgevollmacht sowie Betreuungsverfügung und Patientenverfügung", in der sie die Beteiligte zu ihrer allgemeinen Bevollmächtigten einsetzte. Zu den Befugnissen der Bevollmächtigen gehören u. a. die Vollmachtgeberin in allen vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten, bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Rechte zu erwerben und auf jede Art zu veräußern, in eine ärztliche Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff einzuwilligen sowie für die Vollmachtgeberin die Aufenthaltsbestimmung und Unterbringung vorzunehmen. Weiterhin ist in der Vollmacht geregelt, dass diese durch den Tod der Vollmachtgeberin nicht erlöschen soll. In der Schlussbestimmung ist weiterhin angeordnet, dass die Vollmacht und das ihr zugrunde liegende Auftragsverhältnis auch wirksam bleiben sollen, wenn die Vollmachtgeberin geschäftsunfähig geworden sein sollte oder verstorben ist. Die Betreuungsbehörde der Stadt H. hat die Echtheit der Unterschrift von Frau S. unter der Vollmachtsurkunde beglaubigt.
Frau S. verstarb am 4.6.2015. Am 10.6.2015 verkaufte die Beteiligte, handelnd als Bevollmächtigte für den Nachlass von Frau S., die das Grundbuch von H. Nr. X. betreffenden Grundstücke und bewilligte die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Käufers auf Verschaffung des Eigentums am Grundbesitz (Urkunde des Notars H. Urkundenrolle Nr. X.). Der Urkundsnotar stellte durch Schreiben vom 16.6.2015 – beim Grundbuchamt am 22.6.2015 eingegangen – gem. § 15 GBO den Antrag auf Eintragung einer Eigentumsvormerkung.
Durch Zwischenverfügung vom 30.6.2015 verlangte das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins auf Ableben von Frau S. sowie die Genehmigung aller Erben in der Form des § 29 GBO. Zur Begründung führte es aus, dass die Vollmacht, auf die sich die Beteiligte stütze, nicht formwirksam erteilt sei; die Beglaubigungsbefugnis der Betreuungsbehörde nach § 6 BtBG umfasse nur Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen und damit keine nach dem Tod der Vollmachtgeberin gültigen Vollmachten, da mit dem Tod der Vollmachtgeberin der Zweck einer Vorsorgevollmacht erledigt sei.
Gegen die der Beteiligten am 1.7.2015 zugestellte Zwischenverfügung legte diese durch Schreiben des Urkundsnotars vom 8.7.2015 – beim Grundbuchamt am 13.7.2015 eingegangen – Rechtsmittel ein. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde durch Beschluss vom 14.7.2015 unter Vertiefung seiner Begründung nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Aus den Gründen
II. Die namens der Beteiligten vom Urkundsnotar gemäß § 15 GBO eingelegte Beschwerde ist nach den §§ 71, 73 GBO zulässig. Die Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angegriffenen Zwischenverfügung des Grundbuchamtes. Das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis gegen die beantragte Eintragung der Vormerkung besteht nicht.
1. Zutreffend stellt das Grundbuchamt nicht in Zweifel, dass eine von der Betreuungsbehörde nach § 6 BtBG beglaubigte Vorsorgevollmacht den Anforderungen des § 29 GBO genügt (OLG Dresden, Beschl. v. 4.8.2010 – 17 W 0677/10, juris Rn 4). Durch Art. 11 des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.7.2009 (BGBl I S. 1696 ff) wurde seitens des Gesetzgebers klargestellt, dass es sich bei § 6 Abs. 2 BtBG um einen Beglaubigungstatbestand handelt, der mit den Rechtswirkungen einer öffentlichen Beglaubigung ausgestattet ist (BT-Drucks. 16/13027 S. 8).
2. Die Bedenken des Grundbuchamts hinsichtlich des Nachweises der Vollmacht in der Form des § 29 GBO bestehen nicht, da es sich im vorliegenden Fall um eine Vorsorgevollmacht handelt.
a) § 29 GBO bestimmt, dass die Eintragungsunterlagen dem Grundbuchamt in besonderer Form nachzuweisen sind (Demharter, GBO, 29. Aufl., § 29 Rn 1). Eine Eintragung soll demnach nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder durch öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Für derartige Urkunden ist erforderlich, dass die Behörde oder Urkundsperson zur Ausstellung der Urkunde sachlich zuständig ist, d. h. die Grenzen ihrer Amtsbefugnis nicht überschreitet (Demharter, GBO, 29. Aufl., § 29 Rn 33). Die Zuständigkeit nach § 6 Abs. 2 BtBG bezieht sich nur auf die öffentliche Beglaubigung von Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen. Da somit keine allgemeine Zuständigkeit zur Beglaubigung...