Hauptkampflinie in Praxis und Dogmatik war bisher die Frage, ob das Bestehen einer gesetzlichen (familienrechtlichen) Unterhaltspflicht aufgrund Verwandtschaftsverhältnisses nach den §§ 1601 ff, 1589 S. 1 BGB die Gewährung einer Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ausschließt. Dies wird sowohl von der Finanzverwaltung als auch großen Teilen der Literatur bejaht.
Argumentiert wurde insbesondere, dass die Regelung (nur) ein altruistisches Verhalten bzw. freiwilliges Opfer honoriere, was bei einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung gar nicht möglich sei. Die Zuwendung des Erblassers bzw. Schenkers an den Pflegenden könne wegen Bestehens eines gesetzlichen Anspruchs auf Unterhalt bzw. Pflege nicht als angemessenes Entgelt für die erbrachte Pflege im Sinne der Regelung angesehen werden.
Auch die Vorinstanz, das niedersächsische Finanzgericht mit Urt. v. 21.3.2015, hatte im Rahmen seiner Prüfung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG das Bestehen einer Unterhaltspflicht nach den familienrechtlichen Vorschriften des BGB geprüft. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, die bereits bei abstrakter gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung keinen Pflegefreibetrag gewährt, hat das Gericht eine konkrete Unterhaltspflicht des Erwerbers geprüft. Hierzu müsse neben dem Verwandtschaftsverhältnis (Verwandte in gerader Linie, also insbesondere Kinder) auch der weitere Tatbestand iSd §§ 1601 ff BGB zur Verpflichtung zur Unterhaltsleistung erfüllt sein. Um allerdings eine konkrete Unterhaltsverpflichtung bejahen zu können, muss gem. § 1602 BGB Bedürftigkeit vorliegen, der Unterhaltsberechtigte muss mithin Außerstande sein sich selbst zu unterhalten. Verfügt er über ausreichendes Eigenvermögen wird dies in der Regel zu verneinen sein.
Der Pflegefreibetrag im Verhältnis zu nahen Verwandten (insbesondere Kindern) spielt aber gerade nur dann eine Rolle, wenn die persönlichen Freibeträge (gegenüber Kindern in Höhe von 400.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) nicht ausreichend sind. Ist ein (künftiger) Erblasser bzw. Schenker wegen keinem bzw. geringem Eigenvermögen iSd § 1602 Abs. 1 BGB bedürftigt, wird der reguläre Freibetrag jedenfalls gegenüber den Kindern in jedem Fall ausreichend sein. Im Verhältnis zu Personen, gegenüber denen gem. § 16 Abs. 1 Nr. 5 und 7 (nur) ein persönlicher Freibetrag iHv 20.000 EUR zur Verfügung steht, kommt wiederum eine familienrechtliche Unterhaltspflicht schon nicht in Betracht, sodass der Freibetrag iSd § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG dem Grunde nach immer greift.
Im Ergebnis hatte die Vorinstanz, da wegen des vorhandenen Eigenvermögens eine konkrete Unterhaltspflicht nicht bestehe, den Pflegefreibetrag gewährt. Diese Entscheidung hat nun der BFH in seinem aktuellen Urteil mit anderer – eleganter – Begründung bestätigt und die Gewährung des Freibetrags dem Grunde nach stets (also unabhängig von der Frage nach abstrakter und oder konkreter familienrechtlicher Verpflichtung) im Verhältnis zu unterhaltsverpflichteten Erwerbern bejaht.