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Eine aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht schließt nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.5.2017 die Gewährung eines erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen "Pflegefreibetrags" iSd § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nicht (mehr) aus.
1. Einführung
Gem. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG bleibt ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20.000 EUR steuerfrei, wenn er Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist. Die Regelung soll – im Lichte des mit dem demographischen Wandel einhergehenden Bedarfs – ein freiwilliges Opfer von pflegenden Personen honorieren bzw. außerhalb vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtungen erbrachte Pflegeleistungen steuerlich begünstigen. Nach den Feststellungen des statistischen Bundesamts wurden 2015 von insgesamt 2,9 Millionen pflegebedürftigen Personen 1,38 Millionen zu Hause von Angehörigen versorgt.
Bei § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG handelt es sich um einen echten Freibetrag, sodass bei einer tatsächlichen Pflege oder Unterhaltsgewährung im Wert von mehr als 20.000 EUR stets dieser Betrag, bei geringerer Pflege oder Unterhaltsgewährung der der tatsächlichen Leistung angemessene (niedrigere) Betrag vom Erwerb abzuziehen ist. Eine Freigrenze im steuerlichen Sinne liegt hingegen vor, wenn Beträge nur dann steuerfrei bleiben, wenn der Grenzbetrag nicht überschritten wird.
Das Steuerprivileg des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG gilt nicht nur für Erwerbe von Todes wegen, sondern auch für Zuwendungen unter Lebenden. In der Praxis fehlt es allerdings regelmäßig bei einer lebzeitigen Übertragung von Grundvermögen an einer freigebigen Zuwendung, weil Pflege-/Unterhaltsverpflichtungen synallagmatisch zu der Zuwendung – mithin entgeltlich – vereinbart werden. Auf diese Weise können Pflichtteilsergänzungsansprüche iSd § 2325 BGB, Ansprüche aus den §§ 2287 f BGB und Wertersatzansprüche nach § 528 BGB reduziert werden. Schenkungsteuerlich ist bei einer Entgeltlichkeit zu beachten, dass es sich bei Wart- und Pflegeverpflichtungen, anders als beim Nießbrauch, um eine aufschiebend bedingte Last handelt, die nach § 6 Abs. 1 BewG vor Eintritt der Bedingung nicht erwerbsmindernd zu berücksichtigen ist.
2. Kein Pflegefreibetrag bei gesetzlich zum Unterhalt verpflichteten Personen?
Hauptkampflinie in Praxis und Dogmatik war bisher die Frage, ob das Bestehen einer gesetzlichen (familienrechtlichen) Unterhaltspflicht aufgrund Verwandtschaftsverhältnisses nach den §§ 1601 ff, 1589 S. 1 BGB die Gewährung einer Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ausschließt. Dies wird sowohl von der Finanzverwaltung als auch großen Teilen der Literatur bejaht.
Argumentiert wurde insbesondere, dass die Regelung (nur) ein altruistisches Verhalten bzw. freiwilliges Opfer honoriere, was bei einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung gar nicht möglich sei. Die Zuwendung des Erblassers bzw. Schenkers an den Pflegenden könne wegen Bestehens eines gesetzlichen Anspruchs auf Unterhalt bzw. Pflege nicht als angemessenes Entgelt für die erbrachte Pflege im Sinne der Regelung angesehen werden.
Auch die Vorinstanz, das niedersächsische Finanzgericht mit Urt. v. 21.3.2015, hatte im Rahmen seiner Prüfung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG das Bestehen einer Unterhaltspflicht nach den familienrechtlichen Vorschriften des BGB geprüft. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, die bereits bei abstrakter gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung keinen Pflegefreibetrag gewährt, hat das Gericht eine konkrete Unterhaltspflicht des Erwerbers geprüft. Hierzu müsse neben dem Verwandtschaftsverhältnis (Verwandte in gerader Linie, also insbesondere Kinder) auch der weitere Tatbestand iSd §§ 1601 ff BGB zur Verpflichtung zur Unterhaltsleistung erfüllt sein. Um allerdings eine konkrete Unterhaltsverpflichtung bejahen zu können, muss gem. § 1602 BGB Bedürftigkeit vorliegen, der Unterhaltsberechtigte muss mithin Außerstande sein sich selbst zu unterhalten. Verfügt er über ausreichendes Eigenvermögen wird dies in der Regel zu vernei...