Kann oder muss evtl. der Testamentsvollstrecker in unserem Beispiel bei seinem Antrag auch vorsehen, dass er über die beantragte Korrektur der Verwaltungsanordnung Zugriff auf die Nachlasssubstanz haben soll? Unter welchen Voraussetzungen ist dies möglich?
Maßstab hierfür ist, wie wir gesehen haben, nicht die schriftlich fixierte Apanage der Erblasserin, sondern die Frage der Nachlassgefährdung, die inhaltlich zu bestimmen ist anhand des objektiven Nachlassinteresses und des Zwecks der Testamentsvollstreckung. Sofern Vermögensbestand und -struktur des Nachlasses eine ausreichende Versorgung der Behinderten mit den Erträgen zulassen, braucht der Testamentsvollstrecker dies also nicht zu beantragen, muss aber damit rechnen, dass es künftig einmal der Fall sein kann. Er kann dann nochmals einen Antrag hierzu stellen (dazu unter Abschnitt C.II. in Teil 3).
Wenn er die Substanz in absehbarer Zeit braucht, muss sich der Testamentsvollstrecker gleich darum kümmern. Ausgangspunkt ist die zweite wegweisende Entscheidung des BGH zum Behindertentestament: Gerade aufgrund des Zwecks der Testamentsvollstreckung, der Versorgung der Behinderten, ist der Zugriff auf die Substanz geboten.
Ist der bedarfsorientierte Zugriff des Testamentsvollstreckers auf die Substanz an sich (nicht zu verwechseln mit der Mittelfreigabe und -verwendung) und dem Grunde nach sozialhilfefest? Im Bereich der Gestaltung scheint dies nicht sicher geklärt zu sein, der Zugriff auf die Nachlasssubstanz soll "nur in konkreten, sachlich begründeten Ausnahmefällen möglich sein." Es wird zur Vorsicht geraten: man brauche für den zusätzlichen Zugriff auf die Nachlasssubstanz präzise Vorgaben, damit der Sozialhilfeträger keinen Zugriff habe, sonst sei man im Bereich des § 2216 Abs. 1 BGB. Auch für den Korrekturantrag und -beschluss ist dies zu klären.
Das Sozialhilferecht blickt von außen auf das Erbrecht. Das Behindertentestament mit seinen Kernelementen ist auch sozialgerichtlich voll anerkannt. Wenn nun Substanzzugriff und -verwendung für den behinderten Menschen durch eine hinreichend genaue Verwaltungsanordnung wie bei den Nachlasserträgen gedeckt sind, kann es zunächst keinen Unterschied machen, ob dieser Schutz a priori vorhanden ist oder erst durch einen Korrekturantrag nach § 2216 Abs. 2 S. 2 BGG erreicht wird. Entscheidend ist, dass eine rechtwirksame Verwaltungsanordnung vorhanden ist, die ihren Schutz bis zur Mittelfreigabe entfaltet. Ob dieser Schutz bereits durch eine sachgerecht gestaltete Verwaltungsanordnung erreicht wird oder erst über die von Dritten zu beachtende Bindungswirkung eines gerichtlichen Beschlusses gemäß § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB (dazu in Teil 3 unter Abschnitt C.I und III.), ist eine Frage des Erbrechts, nicht des Sozialrechts, und von diesem anzuerkennen.
Das Behindertentestament erreicht mit seinen anerkannten Verwaltungsanordnungen eine Besserstellung des behinderten Menschen, indem die sozialhilfefesten Zuwendungszwecke aufgeführt werden und auf die Quelle, aus der die Mittel stammen, Bezug genommen wird. Diese Zwecke können für die Substanz genauso wie für die Erträge rechtlich bindend vorgegeben werden durch die Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB. Wenn also die detaillierte bzw. hinreichend bestimmte Verwaltungsanordnung, die schon bisher als dem Grunde nach sozialhilfefeste Zweckbestimmung anerkannt ist, sich auch auf die Substanz bezieht und die Besserstellung des behinderten Menschen dadurch erreicht, dass "nur" auf eine andere Vermögensquelle des Nachlasses, seine Substanz, zugegriffen werden kann, so ist es nicht einleuchtend, hier für die grundsätzliche Sozialhilfefestigkeit andere oder zusätzliche Maßstäbe anzulegen als bei der Verwendung der Erträge, denn die zweckgebundene und bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit ist dieselbe, nur die Mittelherkunft ist eine andere. Auch das Urteil des BSG vom 17.2.2015 stellt keine zusätzlichen Anforderungen an den Substanzzugriff und der BGH fordert diesen geradezu vom Testamentsvollstrecker in BGHZ 123, 368, s. o.
Daher ist eine Verwaltungsanordnung, die wie bei der Verwendung der Erträge auch beim Substanzzugriff auf die Verwaltungsanordnung Bezug nimmt, dem Grunde nach sozialhilfefest. Ein Antrag nach § 2216 Abs. 2 S. 2 kann daher auch wie die Gestaltung einen Substanzzugriff vorsehen und sich inhaltlich dazu an Gestaltungsvorschlägen orientieren. Des womöglich gar riskanten Rückgriffs auf § 2120 Abs. 2 BGB als rechtlichem aliud zu § 2216 BGB bedarf es nicht (s. o. Fn 82).
Auch für Vermögen aus der Nachlasssubstanz schlägt die Stunde der Wahrheit bei der Mittelfreigabe und -verwendung: die freigegebenen Mittel unterfallen den sozialrechtlichen Einkommens- und Vermögensregeln bei bedarfsbezogener Verwendung. Daher muss der Testamentsvollstrecker das Sozialhilferecht auf alle Fälle im Blick behalten, um die Verwaltungsanordnungen bei der Mittelverwendung als "zentrales Steuerungsinstrument" zur Besserstellung des behinderten Menschen im Einkla...