Leitsatz
Den Beschenkten trifft im Rahmen des Herausgabeprozesses nicht nur die Darlegungslast für den behaupteten Vollzug einer Schenkung. Er trägt ebenso die volle Beweislast für die Schenkung sowie deren Vollzug. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 4. September 2019 – 4 U 128/17
Sachverhalt
Die Kläger sind die unbekannten Erben der am ... 2014 verstorbenen E...U... W..., die, vertreten durch den am 10.11.2015 durch das Amtsgericht Potsdam bestellten Nachlasspfleger, die Beklagte auf Herausgabe eines Betrages von 274.196,55 EUR, hilfsweise auf Schadensersatz in gleicher Höhe in Anspruch nehmen.
Bei dem Geldbetrag handelt es sich um Mittel, die sich die Beklagte nach dem Tod der Erblasserin von deren Girokonto (28.895,85 EUR), drei Sparkonten (insgesamt 191.774,65 EUR), einem Wertpapierdepot (30.122,88 EUR) sowie aus einer Versicherung (23.403,17 EUR) vor folgendem Hintergrund hat auszahlen lassen.
Die Erblasserin hat bis zu ihrem Tod allein in einer Wohnung in P... gelebt. Am 7.2.2014 erteilte die Erblasserin der Beklagten mit notariell beurkundeter Erklärung eine General- und Vorsorgevollmacht, die u. a. auch die Berechtigung umfasste, von den auf den Namen der Erblasserin lautenden "Konten bei Banken und Sparkassen Geldbeträge abzuheben und Überweisungen vorzunehmen sowie Konten aufzulösen", wobei Schenkungen nur in dem Rahmen erlaubt sein sollten, der auch einem Betreuer nach §§ 1908 i, 1804 BGB gestattet ist. Die Vollmacht galt über den Tod hinaus, sollte aber von der Erblasserin oder nach ihrem Ableben von ihren Erben widerrufen werden können.
Nachdem die Erblasserin verstorben war, hat die Beklagte im Wesentlichen im Zeitraum zwischen dem 29.7.2014 und dem 14.11.2014 (im Jahr 2015 sind lediglich noch drei kleinere Zahlungen von dem Wertpapierdepot erfolgt) die Konten der Erblasserin bei der ... geschlossen und sich die jeweiligen Guthabenbeträge auszahlen lassen.
Die Kläger haben behauptet, die Beklagte habe insbesondere auch die Sparbücher erst nach dem Tod der Erblasserin an sich genommen.
Die Beklagte hat behauptet, sie sei in deren letzten 14 Lebensjahren die einzige Bezugsperson der Erblasserin gewesen. Es habe deren Willen entsprochen, dass sie (die Beklagte) und ihre (der Beklagten) in die Versorgung der Erblasserin einbezogenen Kinder als Dank für die Unterstützung und Pflege letztlich das gesamte Vermögen der Erblasserin erhalten sollten. Die Sparbücher seien ihr von der Erblasserin bereits im Januar 2014 übergeben worden, kurze Zeit später auch die EC-Karte. Dies sei jeweils mit dem Hinweis erfolgt, dass die Beklagte hierüber frei verfügen dürfe.
Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil Bezug genommen. Zur Begründung hat es ausgeführt, den Klägern stehe der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zu. Die Beklagte habe die Guthaben rechtsgrundlos von den Konten der Erblasserin abgehoben und sich die Lebensversicherungssumme rechtsgrundlos auszahlen lassen. Die Erblasserin habe der Beklagten die Valuten auf den Konten/die Lebensversicherung nicht wirksam geschenkt.
Sähe man die Zuwendungen als Schenkungen von Todes wegen im Sinne des § 2301 BGB, wären sie formunwirksam. Sie hätten aufgrund der der Beklagten erteilten Vollmacht nicht geheilt werden können. Die Guthaben seien mit dem Erbfall in den Nachlass und damit in die Rechtszuständigkeit der Kläger gefallen. Rechtlich habe es sich bei der Zuführung zum Vermögen der Beklagten nicht mehr um eine Vollziehung der Schenkung durch die Erblasserin gehandelt.
Legte man das Erklärungsverhalten der Beklagten und der Erblasserin als Schenkung unter Lebenden im Sinn von § 516 BGB aus, wäre diese gemäß § 125 BGB formnichtig. Die Nichtigkeit wäre nicht nach § 518 Abs. 2 BGB mithilfe der über den Tod hinaus wirkenden Vollmacht geheilt worden, da eine die Beklagte von den vertretungsrechtlichen Beschränkungen eines Insichgeschäfts befreiende Vollmacht nicht erteilt worden sei. Aus § 2084 BGB ergebe sich nichts anderes. Es liege auch kein "Von-Selbst-Erwerb" der Beklagten als Begünstigter vor.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt. Sie macht geltend, sie habe bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass die Erblasserin ihr die Sparbücher bereits im Januar 2014 übergeben habe. Insoweit greife die Vermutungsregelung des § 1006 BGB mit der Folge, dass sich die Kläger infolge der weiteren Vermutungsregel des § 292 ZPO nicht auf ein bloßes Bestreiten beschränken, sondern den Gegenbeweis führen müssten. Vorsorglich stelle die Beklagte ihre Behauptung jedoch durch Zeugnis des D... E... unter Beweis. Der Zeuge könne auch bestätigen, dass die Erblasserin zu Lebzeiten sich ihm und Dritten gegenüber sinngemäß dahin geäußert habe, dass die Sparbücher sich bei der Beklagten in guten Händen befänden und diese hierüber frei verfügen könne, was letztlich auch aus dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Fr...