Pflichtteilsstrafklauseln sind Regelungsinstrumente, mit deren Hilfe im Rahmen von letztwilligen Verfügungen bei Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern der Längerlebende vor einem ungewollten Vermögensabfluss durch die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der als Schluss- oder Vertragserben eingesetzten Abkömmlinge geschützt werden soll. Pflichtteilsstrafklauseln können sich bei der Gestaltung von Behindertentestamenten als problematisch erweisen, weil im Falle der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem Erstversterbenden auch beim zweiten Erbfall infolge der dann eintretenden Sanktion (Enterbung) ein auf den Sozialleistungsträger überleitbarer Anspruch entstehen kann.
Der BGH hat in zwei Grundsatzentscheidungen aus den Jahren 2004 und 2005 klargestellt, dass eine Pflichtteilsstrafklausel die Entstehung von Pflichtteilsansprüchen beim ersten Erbfall nicht unterbinden kann. Die bloße Erwartung einer Erbenstellung beim zweiten Erbfall ändere daran nichts, da der Sozialleistungsträger beim zweiten Erbfall ohnehin keinen Zugriff auf den Nachlass bekommen würde. Die Position des Behinderten beim zweiten Erbfall wurde vom BGH in den beiden angesprochenen Entscheidungen gestärkt, als dass nach Auffassung des Gerichts jedenfalls in den entschiedenen Fällen die Gesamtauslegung zu dem Ergebnis führen müsse, dass der Behinderte seine Schlusserbenposition behalten dürfe. Schließlich hätten die Erblasser die Regelung (Enterbung im Schlusserbfall bei Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen beim ersten Erbfall) nicht getroffen, wenn ihnen die Rechtsfolge (Entstehen von Pflichtteilsansprüchen auch beim zweiten Erbfall mit Überleitungsmöglichkeit auf den Sozialleistungsträger) bewusst gewesen wäre.
Auch wenn der BGH zugunsten einer Aufrechterhaltung der Vorerbenstellung beim zweiten Erbfall entschieden hat, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Entscheidungen im Wege einer auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Testamentsauslegung ergingen. Das birgt bei der Gestaltung von Behindertentestamenten die Gefahr einer gegenläufigen Entscheidung in einem ähnlich, aber eben nicht in jedem Punkt identisch gelagerten neuen Fall. Es wäre höchst riskant, sich darauf zu verlassen, dass ein Gericht die Frage nach dem Entstehen von Pflichtteilsansprüchen nach Verstoß gegen eine Pflichtteilsstrafklausel beim zweiten Erbfall wieder zu Lasten des Sozialleistungsträgers entscheidet.
Teilweise wird daher vorgeschlagen, die Pflichtteilsstrafklausel wegen dieser ungewünschten Rechtsfolge insgesamt gar nicht erst in die letztwillige Verfügung mitaufzunehmen. Dem steht jedoch das nachvollziehbare Bedürfnis der Eheleute/eingetragenen Lebenspartner entgegen, den Längerlebenden vor der Anspruchsgeltendmachung von sich nicht wohlverhaltenden Kindern schützen zu wollen. Die Gefahrenlage, dass sich eines oder mehrere (nicht behinderte) Kinder bewusst gegen den noch lebenden Elternteil wenden, bleibt immerhin auch in Familien mit behinderten Kindern bestehen. Besser ist es nach Auffassung der Verfasserin daher, die Pflichtteilsstrafklausel nicht gänzlich entfallen zu lassen, sondern entsprechend zu modifizieren.
Eine Anpassung kann dergestalt erfolgen, dass die Strafklausel dann nicht gelten soll, wenn der Pflichtteilsberechtigte selbst oder sein gesetzlicher Vertreter den Erwerb von Todes wegen ausschlägt und Pflichtteilsansprüche geltend macht. Tatsächlich wird empfohlen, dahingehend positiv zu formulieren, dass die Pflichtteilsstrafklausel nur dann greifen soll, wenn der geschäftsfähige behinderte Pflichtteilsberechtigte den Anspruch selbst geltend macht oder für ihn ein rechtsgeschäftlich eingesetzter Bevollmächtigter handelt. Genauso soll auch das Verhalten anderer pflichtteilsberechtigter Schluss- oder Vertragserben sanktioniert werden, wenn sie sich dem Willen des Erblassers widersetzen und sich gegen den länger lebenden Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner wenden.
Zu beachten ist weiter, dass der infolge des Eintretens der Sanktion freigewordene Erbteil der anderen (nicht behinderten) Abkömmlinge regelmäßig nicht dem behinderten Kind anwachsen soll, wobei dies bei der Gestaltung freilich dem Willen der Eltern angepasst werden muss. Krauß schlägt hier folgende Formulierung vor:
"Verlangt einer unserer Abkömmlinge nach dem Tod des zuerst Versterbenden von uns gegen den Willen des länger Lebenden (…) seinen unverjährten Pflichtteil (…), entfällt jede (…) zu seinen Gunsten und zugunsten seiner Abkömmlinge getroffene letztwillige Verfügung. Der frei gewordene Erbteil wächst (…) den anderen eingesetzten Erben – nicht jedoch unserem Sohn … – an. Ein Verlangen (…) liegt nur vor, wenn der Abkömmling oder ein durch ihn rechtsgeschäftlich Bevollmächtigter selbst – nicht also ein gesetzlicher Vertreter oder ein Rechtsnachfolger infolge Überleitung – (…) das Verlangen stellt."
Die Klausel von Krauß funktioniert allerdings nach Auffassung der Verfasserin nur in Konstellationen, in denen neben d...