I. Erbrechtliche Grundlagen
Bevor auf die speziellen testamentarischen Konstruktionen zur Gestaltung eines Behindertentestaments eingegangen wird, sollen die Grundlagen der gesetzlichen Erbfolge und des Pflichtteilsrechts dargestellt werden. Sie bilden die Basis der juristischen Überlegungen bei der Ausgestaltung von letztwilligen Verfügungen und insbesondere bei der Planung von behindertengerechten Verfügungen von Todes wegen. Hier gilt es insbesondere eine Überleitung von Erbauseinandersetzungs- und Pflichtteilsansprüchen auf den Sozialleistungsträger zu unterbinden.
Die gesetzliche Erbfolge ist geregelt in den §§ 1924–1936 BGB. Sie ist geprägt vom sog. Parentelsystem. Danach werden die erbberechtigten Verwandten verschiedenen Ordnungen zugeteilt. Gesetzliche Erben erster Ordnung sind gem. § 1924 Abs. 1 BGB die Abkömmlinge des Erblassers. Erben zweiter Ordnung sind gem. § 1925 Abs. 1 BGB die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Zu den Erben dritter Ordnung rechnen nach § 1926 Abs. 1 BGB die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Die weitere Erbfolge innerhalb der Ordnungen erfolgt nach Stämmen, wobei ein näherer Abkömmling einen eigenen Abkömmling nach dem Repräsentationsprinzip von der Erbfolge ausschließt und gleich nahe Erben nach Köpfen erben. Ab der vierten Ordnung gilt das Gradualsystem, das auf den Grad der Verwandtschaft zum Erblasser abstellt. Neben dem Verwandtenerbrecht steht das in den §§ 1931–1934 BGB i.V.m. § 1371 BGB geregelte Ehegattenerbrecht.
Den Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen regelt § 2303 BGB. Pflichtteilsberechtigt sind nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB die Abkömmlinge des Erblassers und daneben nach § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB dessen Ehegatte und die Eltern, letztere allerdings nur dann, wenn sie nicht durch einen Abkömmling verdrängt werden, § 2309 BGB. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs liegt gem. § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
Die vorstehenden Ausführungen rechnen zum kleinen Einmaleins des Erbrechts. Sie mögen banal klingen für einen versierten Experten. Allerdings darf eine exakte Berechnung der Erb- und Pflichtteilsquoten gerade bei der Gestaltung von behindertengerechten Testamenten niemals außer Acht gelassen werden, gilt es doch, den Erwerb von Todes wegen des behinderten Familienangehörigen behaltensfest im Sinne von mindestens in Höhe der verfassungsrechtlich garantierten Mindestteilhabe am Nachlass – dem Pflichtteil – auszugestalten. Gelingt dies nicht, scheitert die komplette testamentarische Konstruktion und eine Überleitung von Ansprüchen auf Dritte, insbesondere auf den Sozialleistungsträger, droht.
II. Sozialrechtliche Grundlagen
Menschen mit Behinderungen können bei Vorliegen der Voraussetzungen diverse staatliche Leistungen in Anspruch nehmen. In Betracht kommen neben Ansprüchen auf Arbeitslosengeld I (§§ 136 ff. SGB III), Arbeitslosengeld II (§§ 7 ff. SGB II) und Sozialgeld (§ 19 Abs. 1 S. 2, § 23 SGB II) vor allem der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII), auf Grundsicherung (§§ 41 ff. SGB XII) und Leistungen auf Basis des Bundesteilhabegesetzes (z.B. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gem. §§ 42 ff. SGB IX, zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. §§ 49 ff. SGB IX, zur Teilhabe an Bildung gem. § 75 SGB IX, zur sozialen Teilhabe gem. §§ 76 ff. SGB IX und zur Eingliederungshilfe, vormals in Kap. 6 SGB XII und nun geregelt in Teil 2 Kap. 9 SGB IX). Die neu in Teil 2 Kap. 9 SGB IX geregelte Eingliederungshilfe führt zu einem Systemwechsel beim Einsatz von Einkommen und Vermögen. Während für vollstationär Betroffene zuvor insgesamt der Träger der Sozialhilfe zuständig war, muss nun nach dem Inhalt der Leistung differenziert werden: Existenzsichernde Leistungen fallen weiterhin in den Zuständigkeitsbereich des Sozialleistungsträgers. Fachleistungen der Eingliederungshilfe unterfallen dem Träger der Eingliederungshilfe.
Während der Anspruch auf Rehabilitation und Teilhabe einkommens- und vermögensunabhängig besteht, werden alle übrigen staatlichen Leistungen inklusive der Eigliederungshilfe bedarfsabhängig nur dann gewährt, wenn der Betroffene seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen bestreiten kann. Auch den Anspruch auf Rehabilitation und Teilhabe gewährt der Gesetzgeber nicht unbeschränkt. Vielmehr kann der tatsächliche Bedarf des Behinderten mit den staatlichen Leistungen regelmäßig nicht vollständig gedeckt werden.
Menschen mit behinderten Familienangehörigen oder nahestehenden behinderten Personen haben daher regelmäßig ein Interesse daran, die wirtschaftliche Stellung des Angehörigen nach ihrem Tod in der Weise abgesichert zu wissen, dass dessen Lebensumstände unter Weiterbezug staatlicher Leistungen über Sozialhilfeniveau gehalten und über das den tatsä...