Eine weitere Gefahr für die Überleitung von Ansprüchen auf den Sozialleistungsträger kann sich aus lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers ergeben, die Pflichtteilsergänzungsansprüche nach den §§ 2325 ff. BGB nach sich ziehen. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein neben dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB stehender und von diesem unabhängiger eigener Pflichtteilsanspruch, der über § 2326 BGB auch einem Erben zustehen kann. Dementsprechend können auch einem als Mit-/Vorerben eingesetzten Behinderten Pflichtteilsergänzungsansprüche aufgrund lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers zustehen, die der Sozialleistungsträger gem. § 93 SGB XII auf sich überleiten kann, obwohl die Erbschaft nicht ausgeschlagen wurde.
Die Praxis löst die Frage über die Anordnung eines zusätzlich zum Erbteil zugewendeten liquiden Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB), das über der Pflichtteilsquote liegt und aufschiebend bedingt sowie in Form eines Vor- und Nachvermächtnisses ausgestaltet wird. Die Notwendigkeit der aufschiebenden Bedingung ergibt sich aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung die Existenz von späteren Pflichtteilsergänzungsansprüchen noch nicht abschließend feststeht. Diese realisieren sich bekanntlich erst im Erbfall. Das Vermächtnis muss ferner als Vorvermächtnis ausgestaltet werden, um den Zugriff Dritter und insbesondere den des Sozialleistungsträgers auf die Erträgnisse des Erwerbs von Todes wegen zu unterbinden. Kombiniert wird außerdem auch hier eine Dauertestamentsvollstreckung nach Maßgabe der bereits dargestellten Grundsätze. Zu Nachvermächtnisnehmern werden sodann regelmäßig personenidentisch die zu Nacherben begünstigten Personen eingesetzt. Der Höhe nach wird das Vermächtnis über der Pflichtteilsquote liegend angeordnet, wobei regelmäßig eine Quote von 110 % des fiktiven Ergänzungsanspruchs empfohlen wird. Hintergrund der Überlegung ist es auch hier, die Gefahr der Ausschlagung des Vermächtnisses nach § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB mit der Konsequenz der Überleitung von Pflichtteilsansprüchen auf den Sozialleistungsträger auszuschalten.
Ungeklärt ist nach wie vor das Verhältnis zwischen dem Nachvermächtnisanspruch und dem Sozialhilferegress. Der Erbe haftet dem Sozialleistungsträger gem. § 102 Abs. 2 S. 2 SGB XII mit dem Nachlass zum Zeitpunkt des Erbfalls. Das Nachvermächtnis hat gem. §§ 2191 Abs. 1, 2174 BGB demgegenüber lediglich schuldrechtliche Wirkung. Die Aufnahme eines’Vorvermächtnisses zur Vorbeugung der Überleitung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen ist dennoch mangels anderer Gestaltungsmöglichkeiten in jedem Fall als sicherster Weg empfehlenswert.