II.

1. Das Kammergericht ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen. Ferner liegen die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung auch der Sache nach vor. Zwar setzt § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nach seinem Wortlaut voraus, dass sich verschiedene Gerichte (und nicht einzelne Spruchkörper) rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Allerdings ist die Vorschrift entsprechend anwendbar, wenn mehrere Spruchkörper des gleichen Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung des Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung abhängt. Dies gilt nach allgemeiner Auffassung auch für die von dem Gesetzgeber neu geschaffenen §§ 72a, 119a GVG (Senat, Beschl. v. 22.3.2018 – 2 AR 11/18, NJW-RR 2018, 212; OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.4.2018 – 13’SV 6/18; OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.6.2018 – 1 AR 990/18, MDR 2018, 1015; Zöller/Lückemann, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 72a GVG Rn 2; Klose MDR 2017, 793 [795]).

Schließlich liegen auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung von’§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor, nachdem sich die an dem negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Spruchkörper jeweils "rechtskräftig" im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt haben. Hierfür genügt es, dass die betreffenden Entscheidungen den Parteien mitgeteilt wurden, so dass sich nicht nur um gerichtsinterne Vorgänge, sondern um Entscheidungen mit Außenwirkung handelt (BGH, Beschl. v. 1.6.1988 – IVb ARZ 26/88, FamRZ 1988, 1256; Senat, Beschl. v. 22.3.2018 – 2 AR 11/18, NJW-RR 2018, 639; Zöller/Schultzky, a.a.O., § 36 Rn 35 m.w.N.).

2. Als funktional zuständige Spruchkörper sind die allgemeinen Zivilkammern des Landgerichts zu bestimmen, weil die Voraussetzungen für eine gesetzliche Sonderzuständigkeit nach § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG nicht vorliegen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen von der gesetzlichen Sonderzuständigkeit nach § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG sämtliche zivilprozessuale Streitigkeiten über erbrechtliche Angelegenheiten im Sinne des Fünften Buches des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erfasst werden (BT-Drucks 19/13828, S. 22). Soweit im Schrifttum teilweise gefordert wird, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Streitigkeiten im Sinne von § 27 ZPO zu beschränken (Zöller/Lückemann, ZPO, Online-Aktualisierung zur 33. Aufl. 2020, § 72 a GVG Rn 9; Schultzky, MDR 2020, 1 [2]), kann dem nicht gefolgt werden, weil damit ganz wesentliche Bereiche des Erbrechts ausgeklammert würden, was weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit der Gesetzesbegründung vereinbar ist (so zu Recht auch BeckOK GVG/Feldmann, 11.’Ed. 15.5.2021, § 72a Rn 16b; Kollmeyer, ZEV 2020, 273 [274]). Anderseits ist es sicher richtig, dass nach dem Normzweck der Vorschrift eine gesetzliche Sonderzuständigkeit nach § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG nicht bereits dann angenommen werden kann, wenn ein Erbe aufgrund einer Nachlassverbindlichkeit in Anspruch genommen wird (§ 1967 BGB), da dies dem mit der Vorschrift verfolgten Spezialisierungsgedanken ersichtlich zuwiderliefe (so bereits Senat, Beschl. v. 18.8.2021 – 2’AR 34/21, n.v.).

Ausgehend von diesem Verständnis ist eine Sonderzuständigkeit nach § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG hier nicht begründet. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Rückzahlungszahlungsanspruch aus einem behaupteten Privatdarlehen (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB). Allein der Umstand, dass der ursprüngliche Darlehensnehmer verstorben ist und die Klage sich deshalb gegen dessen Gesamtrechtsnachfolgerin nach § 1967 Abs. 1 BGB richtet, macht die Sache aus den bereits darlegten Gründen nicht zu einer erbrechtlichen Streitigkeit im Sinne des Fünften Buchs des Bürgerlichen Gesetzbuches. Inwiefern der Sachverhalt anders zu beurteilen wäre, wenn die Erbenstellung der Beklagten streitig wäre, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn für eine derartige Annahme ist in dem vorliegenden Fall nichts ersichtlich.

ZErb 11/2021, S. 452 - 453

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