Mit der Aufnahme eines Anfechtungsverzichts im gemeinsamen Ehegattentestament oder Erbvertrag kann das Selbstanfechtungsrecht des Ehegatten und das Anfechtungsrecht Dritter gem. §§ 2078 ff. BGB aufgehoben werden. Es handelt sich hierbei um einen Vorausverzicht, der auch gegenüber einem Dritten gilt, der zur Anfechtung berechtigt ist. Also gegenüber dem neuen Ehepartner oder neuen Abkömmlingen.
Formulierungsvorschlag Verzicht auf Anfechtungsrecht:
Zitat
"Unsere für den ersten und zweiten Todesfall getroffenen Verfügungen sollen auch dann wirksam sein, wenn weitere Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind oder noch hinzutreten, insbesondere auch dann, wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet. Wir verzichten ausdrücklich auf das uns zustehende Anfechtungsrecht gem. §§ 2078 ff. BGB. Insoweit ist auch ein Anfechtungsrecht Dritter ausgeschlossen."
Ein Anfechtungsverzicht kann den Schutz der Abkömmlinge aus der Erstehe im Fall der Wiederverheiratung nicht vollständig garantieren. Daher sollte in bestimmten Fallkonstellationen entweder vorrangig eine Wiederverheiratungsklausel das Mittel der Wahl sein oder eine Kombination von beidem erfolgen.
Dabei ist zu beachten, dass der Anfechtungsverzicht nur dann seine Wirkung entfalten kann, wenn er auch mit einer Bindungswirkung für die Verfügungen des zweiten Ehegatten bei Eintritt der Wiederverheiratungsklausel verbunden wird.
Mit dem Anfechtungsverzicht verbleiben immer noch die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche der neuen Pflichtteilsberechtigten, die sich auch auf Vermögensübertragungen beziehen, die vor der erneuten Eheschließung oder neuen Geburt erfolgt sind.
Beispiel:
Witwer W hatte mit seiner vorverstorbenen ersten Ehefrau sein großes Vermögen aufgebaut. Beide sind hälftige beteiligt. Es wurde ein Ehegattentestament verfasst, indem sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben einsetzen und die gemeinsame Tochter als Schlusserben sowie der Anfechtungsverzicht erklärt wird.
Direkt nach dem Tod seiner ersten Frau überträgt W Teile des Vermögens auf seine Tochter.
Er heiratet zwei Jahre später seine Nachbarin, da diese von ihm schwanger ist. Wieder ein Jahr später verstirbt er bei einem Autounfall.
Die neue Ehefrau macht für sich und das neue Kind neben dem Pflichtteil und Zugewinn auch Pflichtteilsergänzungsansprüche hinsichtlich der Vermögensübertragungen an die Tochter nach dem Tod der ersten Frau geltend. Die Pflichtteilsquote der Ehefrau beläuft sich nach der güterrechtlichen Lösung auf ⅛ neben dem tatsächlichen Zugewinn und 3/16 für das neue Kind.
Die Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen auch hinsichtlich der teilweisen Vermögenübertragungen an die Tochter, obwohl es sich insoweit um den hälftigen Vermögensanteil handelt, der ursprünglich von der ersten Ehefrau stammte.
Wenn dieser Zugriff über die Pflichtteilsergänzungsansprüche reduziert werden soll, kommt eine Kombination von Anfechtungsverzicht und Wiederverheiratungsklausel in Betracht. Mit der Wiederverheiratungsklausel kann zumindest ein Teil des Vermögens diesen Ansprüchen entzogen werden.
In diesem Fall sollte ausdrücklich im Testament festgelegt werden, dass die Bindungswirkung auch im Fall der Wiederheirat bestehen bleibt, um Friktionen zwischen den beiden Klauseln zu vermeiden.
Formulierungsvorschlag Bestehenbleiben der Bindungswirkung im Fall der Wiederverheiratung:
Zitat
"Für den Fall, dass die Wiederverheiratungsklausel in Kraft tritt, soll die Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung in Bezug auf die Verfügungen des überlebenden Ehegatten bestehen bleiben."
Soweit der überlebende Ehegatte im Fall der Wiederverheiratung mit dem neuen Partner einen Pflichtteilsverzicht vereinbart, besteht die Möglichkeit, den Schutz der erstehelichen Kinder und die Wiederverheiratungsklausel aufzuheben. So steht dem überlebenden Ehegatten der gesamte Nachlass weiter zur Verfügung.
Formulierungsvorschlag:
Zitat
"Das Vermächtnis für unsere Abkömmlinge entfällt trotz Wiederverheiratung, wenn der Längstlebende von uns mit jedem neuen Ehegatten Gütertrennung vereinbart und der neue Ehegatte auf seinen Pflichtteil am Nachlass des Längstlebenden von uns unwiderruflich und rechtswirksam verzichtet."
Zu beachten ist aber, dass damit immer noch die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche neu hinzutretender Kinder auch am Nachlassanteil des vorverstorbenen Elternteils aus der ersten Ehe bestehen können.