Neben der Wahl der Berechnungsgrundlage sollte flankierend eine Inventarpflicht mit Wertermittlung aufgenommen werden.[21] Ohne ein geeignetes Inventar sind erhebliche Schwierigkeiten absehbar, wenn der Nachlass erst im Nachhinein – bei Eintritt des Wiederverheiratungsfalls – historisch zu ermitteln ist und die Werte nachträglich zu bestimmen sind.[22]

Zum Zwecke der Selbstdisziplinierung des überlebenden Ehegatten sollte diese spätestens innerhalb der folgenden zwei Jahre nach dem Tod des Erstversterbenden zu erfüllen sein.

Formulierungsvorschlag flankierende Inventarpflicht:

Zitat

"Unserem Sohn Robin steht insoweit ein Auskunftsanspruch entsprechend den Vorschriften des § 2314 BGB zu. Der Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls ist in Form eines Vermögensverzeichnisses von dem überlebenden Ehegatten auf Kosten des Nachlasses zu erstellen. Dabei sind auch die Werte zu ermitteln. Das Verzeichnis hat der überlebende Ehegatte unabhängig vom Eintritt der Voraussetzungen für das Vermächtnis innerhalb von 24 Monaten seit dem Erbfall zu errichten und unserem Sohn Robin zur Verfügung zu stellen."

ee) Zusammentreffen der Wiederverheiratungsklausel mit Pflichtteilsansprüchen der Abkömmlinge

Grundsätzlich gilt beim Zusammentreffen von Pflichtteilsansprüchen und Vermächtnissen § 2307 Abs. 1 BGB. Der mit einem Vermächtnis bedachte Pflichtteilsberechtigte kann den vollen Pflichtteil verlangen, wenn er das Vermächtnis ausschlägt. Schlägt er nicht aus, so steht ihm ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht.

Das bedeutet für den Pflichtteilsberechtigten, dass er sich, soweit er seine Pflichtteilsrechte nach dem Tod des ersten Ehegatten geltend macht, den Wert des durch die Wiederheirat aufschiebend bedingten Vermächtnisses auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss.[23] Dies, obwohl das aufschiebende bedingte Vermächtnis noch nicht angefallen ist und vielleicht niemals anfallen wird, wenn der überlebende Ehegatte nicht wieder heiratet. Der Pflichtteilsanspruch wird um das Vermächtnis gekürzt, obwohl unsicher ist, ob überhaupt und wenn, dann wann das Vermächtnis anfällt. Tritt der Fall der Wiederheirat nicht ein, so erhält er aber eben jenes ihm angerechnete Vermächtnis nicht.[24] Um sicher zu gehen, den vollen Pflichtteil zu erhalten, kann es im Einzelfall für den Pflichtteilsberechtigten lohnender sein, das Vermächtnis innerhalb der Drei-Jahresfrist auszuschlagen.[25] Soweit das Vermächtnis eine deutlich höhere Beteiligung des Abkömmlings ausweist, etwa Herausgabe des gesamten Nachlasses, abzüglich lediglich des Pflichtteils und Zugewinns des Längerlebenden, wird die Entscheidung für den Pflichtteilsberechtigten schwieriger.

Es wird jedoch auch die Auffassung vertreten, dass analog zur Behandlung des bedachten Nacherben im Rahmen von § 2306 BGB bei der aufschiebend bedingten Nacherbfolge[26] auch der aufschiebend bedingte Vermächtnisnehmer gleichgestellt werden muss. Überwiegend wird vertreten, dass eine (vorläufige) Enterbung vorliegt, sodass der Berechtigte ohne Ausschlagung sofort den Pflichtteil verlangen könne. Trete später die Bedingung ein, so müsse sich der Berechtigte den Vorausempfang erst nachträglich anrechnen lassen.[27]

Dies auf die Stellung des aufschiebend bedingt bedachten Vermächtnisnehmers im Rahmen von § 2307 BGB übertragen würde bedeuten, dass bis zum Bedingungseintritt kein Vermächtnis vorliegt. Eine Anrechnung auf den Pflichtteil hat dann nicht zu erfolgen. Der Vermächtnisnehmer kann den Pflichtteil in vollem Umfang bei dem aufschiebend bedingten Vermächtnis verlangen. Erst wenn die Bedingung eintritt und das Vermächtnis anfällt, muss er sich nachträglich den bereits erhaltenen Pflichtteil auf das Vermächtnis anrechnen lassen.[28] Die Regelung des § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB wird quasi auf den Kopf gestellt: Dem Vermächtnisnehmer steht das Vermächtnis nicht zu, soweit der Wert des bereits erhaltenen Pflichtteils reicht.

Aufgrund dieser Unwägbarkeiten bei der Anwendung des § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB im Fall der aufschiebend bedingten Wiederverheiratungsvermächtnisse sollte eine ausdrückliche Regelung im Testament gefunden werden.[29]

[21] Keim/Lehmann, Beck'sches Formularbuch Erbrecht, E. VI. 2. Anmerkung 2.
[22] Keim/Lehmann, Beck'sches Formularbuch Erbrecht, E. VI. 2.; Scherer/Ridder, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, § 11 Rn 128.
[23] Soergel/Dieckmann, § 2307 Rn 2; Lange/Kuchinke, § 37 V, S. 6 Fn 108 m.w.N.
[24] Damrau/Tanck/Klessinger, Praxiskommentar Erbrecht, § 2269 BGB Rn 55.
[25] Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 79.
[26] MüKo-BGB/Lange, ErbR, § 2307 BGB Rn 9; Damrau/Tanck/Klessinger, Praxiskommentar Erbrecht, § 2269 BGB Rn 55.
[27] MüKo-BGB/Lange, ErbR, § 2307 BGB Rn 9.
[28] BeckOK-BGB/Müller-Engels, Rn 9; Schlitt, NJW 1992, 28; Strecker, ZEV 1996, 327; vgl. auch OLG Karlsruhe Justiz 1962, 152; offengelassen von BGH NJW 2001, 520.
[29] Scherer/Ridder, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, § 11 Rn 128.

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