aa. Erbrechtliche Verteilung von Nutzungen und Kosten
Der Verkauf eines Betriebs, Teilbetriebs, einer Beteiligung an einer nicht nur vermögensverwaltenden Personen- oder einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist ein Fall der Mittelsurrogation, nämlich der Erwerb von Geld in Form des Veräußerungserlöses "durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft" durch den betreffenden Verkauf. Der Verkaufserlös steht folglich dem Nachlass zu und geht in diesen im Wege der dinglichen Surrogation gem. § 2111 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB ein. Gleiches gilt für den Fall der Stilllegung eines Betriebs, bei dem’die einzelnen Gegenstände des Betriebsvermögens versilbert werden.
bb. Steuerliche Behandlung beim Vorerben
Der Vorerbe muss im Veranlagungszeitraum der Veräußerung einen entsprechenden Veräußerungsgewinn versteuern, obwohl er ihm nicht zusteht und mit Eintritt des Nacherbfalls an den Nacherben herausgeben muss. Der Vorerbe zahlt damit im Jahr’der Veräußerung Steuern auf einen Gewinn, den er über das Ende der Vorerbschaft hinaus nicht behalten darf.
Unterstellt man mit den eingangs zitierten BGH-Entscheidungen, der Vorerbe könne Erstattung der Steuerlast auf den erzielten Veräußerungsgewinn verlangen, so wäre diese Erstattung kein Teil des Erbgangs im Sinne der Entscheidung des BFH – GrS 2/04 – und unterfiele daher nicht § 6 Abs. 3 EStG. Damit stellt sich die Frage, ob eine etwaig vom Nacherben geschuldete Erstattung sich beim Vorerben als unter eine der sieben Einkunftsarten des EStG subsumierbar und damit steuerpflichtig darstellt.
Die erst nach Eintritt des Nacherbfalls erfolgende Erstattung einer Steuerlast auf ggf. lange zurückliegende Verkäufe und nicht minder weit zurückliegend versteuerte Veräußerungsgewinne als Einkünfte des Vorerben i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1-6 EStG zu behandeln, scheidet aus. Denn der Nachlass und die in diesem enthaltenen steuerrelevanten Einkunftsquellen sind mit Eintritt des Nacherbfalls auf den Nacherben übergegangen. Allenfalls eine Qualifikation als Entschädigung oder nachträgliche Einkünfte i.S.d. § 24 EStG käme in Betracht. Wenn eine Pflicht zur Erstattung der Steuerlast des Vorerben besteht, stellt diese aber jedenfalls keine Entschädigung für entgangene oder wegen Untätigkeit nicht erzielte (steuerpflichtige) Einkünfte dar, sodass der Tatbestand des § 24 Nr. 1 EStG nicht erfüllt ist. Es liegt auch kein Fall des § 24 Nr. 2 EStG (nachträgliche Einnahmen und Betriebseinnahmen) vor. Denn die Erstattung einer Steuerzahlung auf Einkünfte, die der Steuerpflichtige nicht behalten darf, stellt als Gegenstück zur Zahlung der Einkommensteuer weder eine Betriebseinnahme bei einer Gewinneinkunftsart noch eine Einnahme i.S.d. § 8 EStG bei einer Überschusseinkunftsart dar.
cc. Steuerliche Behandlung beim Nacherben
Für den Nacherben ergeben sich im Veranlagungszeitraum der Veräußerung keinerlei steuerliche Konsequenzen, da der Vorerbe noch Eigentümer des Nachlasses ist und allein der Vorerbe im Jahr der Veräußerung steuerpflichtige Einkünfte aus der Veräußerung von Teilen des Nachlasses erzielt.
Eine etwaig nach § 2126 BGB geschuldete Erstattung der vom Vorerben auf einen realisierten Veräußerungsgewinn gezahlten Steuerlast durch den Nacherben ist für Letzteren nur schlicht die ertragsteuerlich irrelevante Zahlung einer Erbfallschuld i.S.d. §§ 1967, 2126 BGB.
dd. Abweichungen zwischen steuer- und erbrechtlicher Behandlung
Vorbehaltlich noch zu erörternder erbrechtlicher Ausgleichsansprüche muss nach dem Vorgesagten der Vorerbe die Steuern auf einen erzielten Veräußerungsgewinn zahlen, obwohl dieser Veräußerungsgewinn dem (nicht befreiten) Vorerben nicht dauerhaft verbleibt, sondern dem Nachlass zusteht und als dessen Teil vom Vor- an den Nacherben herauszugeben ist.
ee. Auflösung der Diskrepanz zwischen Erb- und Steuerrecht
Betriebs- und Anteilsveräußerungen durch den Vorerben und die Frage, wer letztlich die daraus resultierende Steuerlast zu tragen hat, waren bereits Gegenstand zweier höchstrichterlicher Entscheidungen.
In dem einen Urteil hatte der BGH über die Stilllegung einer defizitären Pension zu entscheiden und die ihrer Schließung folgende gewinnbringende Veräußerung der Betriebsimmobilie durch den Vorerben. Gegenstand der anderen BGH-Entscheidung war der Verkauf von Aktien einer AG, deren alleiniger Aktionär mittelbar und unmittelbar der Erblasser war. Der Vorerbe hatte den freihändigen Verkauf aller Aktien besagter AG zu einem deutlich über ihrem Buchwert liegenden Kurs veranlasst, da die Aktien einer Bank verpfändet waren und die Pfandverwertung drohte. Die Nacherben machten jeweils geltend, die Einkommensteuer des Vorerben, auch soweit sie sich durch den steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn erhöht habe, sei allein dessen Angelegenheit. In beiden Fällen hob der BGH darauf ab, besteuert würde der Wertzuwachs der zur Veräußerung kommenden Vermögenssubstanz, nicht von dem Vorerben gezogene Nutzungen. Die bis dahin latente, mit dem Verkauf ausgelöste Einkommensteuer auf die stillen Reserven in der Beteiligung seien daher als eine auf dem Stammwert der Beteiligung liegende Last i.S.d. § 2126 BGB anzusehen.
Die...