Der Verkauf eines Betriebs oder anderen Vermögensgegenstands, etwa einer Aktie, endet nicht immer mit einem Gewinn, sondern kann auch im Einzelfall zu einem Verlust führen. Dieser ist häufig steuerlich relevant und dann mit anderen Einkünften des Vorerben verrechenbar. Der Vorerbe erzielt dadurch einen Steuervorteil, obwohl er erbrechtlich den Verlust selbst nicht als Erhaltungskosten oder "negative Nutzung" tragen muss, sondern dieser den Nacherben als "Substanzverlust" trifft.
Naeve befürwortet für Steuerentlastungen, die aus einer verlustigen Veräußerung von Erbschaftsgegenständen resultieren, einen Erstattungsanspruch des Nachlasses/-erben gegen den Vorerben, der diesen Steuervorteil realisiert. § 2111 Abs. 1 S. 1 BGB sei wirtschaftlich auszulegen und diene dem Schutz des Nacherben. Die Steuerentlastung sei ein latent mit der Substanz des jeweiligen Erbschaftsgegenstands verbundener Vermögensvorteil, der weder ein unmittelbares Surrogat noch eine Nutzung sei, sich vielmehr mit dem vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Instrumentarium keinem der Beteiligten zuordnen lasse. Die Steuerentlastung sei jedoch ein wirtschaftlicher Vorteil, der wirtschaftlich "mit Mitteln der Erbschaft" erworben werde. Daher sei der Steuervorteil dem Nacherben in analoger Anwendung des § 2111 BGB zuzuordnen.
Für den Leser ist festzuhalten, dass es nicht darum geht, den Verlust in die Einkommensteuerveranlagung des Nacherben zu transferieren, was bereits technisch nicht möglich, aber auch dogmatisch unzulässig ist, wie spätestens der Große Senat des BFH in seiner Entscheidung zur mangelnden Vererblichkeit von Verlustvorträgen festgestellt hat. Vielmehr geht es um einen zivilrechtlichen Anspruch auf Erstattung eines Geldbetrags in Höhe des erzielten Steuervorteils.
Das von Naeve vertretene Ergebnis verdient Sympathie. Denn wenn dem Nachlass/-erben die Steuer auf einen erzielten Veräußerungsgewinn belastet wird, weil sich diese Steuerlast mit dem Wert der Substanz, nicht den aus ihr gezogenen Nutzungen verbindet, dann erscheint es auch logisch, dem Nachlass/-erben eine Steuerentlastung gutzubringen, die sich aus einem Veräußerungsverlust ergibt; denn auch diese Steuerentlastung folgt nicht aus einer Minderung der dem Vorerben zustehenden Nutzungen, sondern der Substanzwertminderung des Nachlasses. Ob allerdings eine direkte oder analoge Anwendung des § 2111 BGB der zutreffende Ansatzpunkt ist, darf bezweifelt werden.
Zu dem Schluss, dass § 2111 BGB nicht direkt anwendbar ist, kommt, wie voraufgezeigt, bereits Naeve selbst. Es bleibt nur eine analoge Anwendung. § 2111 BGB ist jedoch eine auf Zweckmäßigkeitsgründen beruhende Ausnahmevorschrift. Zwar ist nach herrschender, hier geteilter Auffassung bei drohender Zweckverfehlung eine "freiere", ihrem Telos Rechnung tragende Auslegung erlaubt. Diese Zweckverfehlung droht, weil – um den Nachlass abgrenzbar zu halten – nach Eintritt des (Vorerb-) Falls das Gesetz die Neuschaffung nachlasszugehörigen Vermögens außerhalb von § 2111 BGB nicht vorsieht. Soll dem Nacherben also Vermögen gesichert werden, dass sich nicht dinglich, aber wirtschaftlich als im Tausch gegen aus dem Nachlass ausscheidende Vermögensgegenstände erworben darstellt, so kann dieses Ziel nur im Wege einer solchen "freieren" Auslegung des § 2111 BGB im Allgemeinen und des Begriffs "mit Mitteln der Erbschaft" im Besonderen erreicht werden. Gleichwohl bleibt § 2111 BGB eine der dinglichen Ebene verhaftete Vorschrift – es wird lediglich über die "freiere Auslegung" ermöglicht, einen "wirtschaftlich" aus Mitteln der Erbschaft erworbenen Gegenstand dinglich dem Nachlass zuzuordnen. Der Steuervorteil aus der Verrechnung von Verlusten aus der Veräußerung von Erbschaftsgegenständen ist jedoch weder eine Sache noch ein Recht, das dinglich dem Nachlass zugerechnet werden könnte. Er ist nur eine von zahlreichen Größen, die in die Berechnung des zu versteuernden Einkommens des Vorerben i.S.d. § 2 Abs. 5 EStG eingehen. Die Ausnahmevorschrift des § 2111 BGB – dessen Analogiefähigkeit bereits aufgrund seines Ausnahmecharakters nur sehr beschränkt gegeben ist und der (a) dinglich und (b) auf die Aktivseite des Nachlasses fokussiert ist – auch auf ein dingliches Nullum auszudehnen, das am Ende überdies in keinem Aktivum, sondern in der Minderung einer Verbindlichkeit endet, also wenn überhaupt die Passivseite des Nachlasses betrifft, erscheint eine Überdehnung dieser Vorschrift nicht nur bei direkter, sondern auch bei analoger Anwendung. Anderenfalls ließe sich am Ende uferlos jeder wirtschaftliche Vorteil, der sich in keiner Sache und keinem Recht materialisiert hat, über § 2111 BGB als "bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dingliches Surrogat" des Nachlasses qualifizieren.
Naheliegender ist insoweit eine Analogie zu § 2126 BGB. Einer analogen Anwendung des § 2126 BGB dergestalt, dass aus dieser Regelung nicht nur Erstattungsansprüche, sondern auch Erstattungsverpflichtungen des Vorerben resultieren...