Einführung
Der Fiskus behandelt für die laufende Ertragbesteuerung (Einkommen- und ggf. Gewerbesteuer) den Vorerben wie einen Vollerben. Das Steuerrecht ignoriert damit, dass weder der (nicht befreite) Vorerbe Zugriff auf die Nachlass-Substanz nehmen darf noch alle mit dem Nachlass verbundenen Kosten tragen muss, insbesondere nicht die außergewöhnlichen Erhaltungskosten i.S.d. § 2124 Abs. 2 BGB. Als Folge decken sich die Ermittlung der dem Vorerben nach § 2111 Abs. 1 BGB zustehenden Nutzungen und der von ihm nach den §§ 2124 ff. BGB zu tragenden Kosten und Lasten einerseits nicht mit der Methodik der Ermittlung seiner ertragsteuerlichen Einkünfte und abzugsfähigen Sonderausgaben andererseits. Dieses Auseinanderfallen der erbrechtlichen Ermittlung, was dem Erben zusteht, und der steuerlichen Ermittlung, was er zu versteuern hat, beschränkt sich gewerbesteuerlich auf Einzelunternehmen, erfasst einkommensteuerlich aber auch Personengesellschaften aller Art, die dem nacherbschaftlich gebundenen Nachlass angehören. Dass auch Personengesellschaften betroffen sind, verschafft diesem Problem erhebliche praktische Breitenwirkung.
1
"It is impossible to be sure of any thing but Death and Taxes" – Diese Aussage tätigte Christopher Bullock erstmals nachgewiesen in 1716 und in abgewandelter Form 1789 Benjamin Franklin, einer der Väter der US-Verfassung. So alt diese Weisheit ist, so wenig synchronisiert sind Erbrecht und (Ertrag-) Steuerrecht. Bei Anordnung von Vor- und Nacherbschaft kann dadurch z.B. der Vorerbe in den Genuss von Steuervorteilen kommen, die aus Lasten resultieren, die der Vorerbe gar nicht zu tragen hat.
I. Problemaufriss
Das Auseinanderfallen, was dem Vorerben erbrechtlich zusteht, und was er zu versteuern hat, wirft eine bislang nicht aufgearbeitete Frage auf, nämlich ob hierdurch Ausgleichansprüche ausgelöst werden. Es gibt allein zwei höchstrichterliche Entscheidungen zu einer Sonderproblematik, nämlich wer die Steuern auf Gewinne trägt, die im Zuge der Veräußerung von nachlasszugehörigem Betriebsvermögen bzw. Aktien entstanden sind; beide Urteile wurden vom Schrifttum ganz überwiegend positiv aufgenommen. Jenseits dieser Urteile fehlt sowohl Rechtsprechung wie eine Diskussion im Schrifttum.
Nachstehend wird untersucht, unter welchen Umständen auf welcher Anspruchsgrundlage derartige Ausgleichsansprüche entstehen können.
II. Ertragsteuern und ihre erbrechtlichen Konsequenzen
1. Nachlassbezogene Sonderausgaben
Begonnen sei mit einem Feld, das bei realen Erbfällen wirtschaftlich meist weniger bedeutsam sein wird, aber aufgrund seiner geringeren Komplexität den Zugang zu den sich stellenden Problem erleichtert: Bei dem nachlasszugehörigen steuerlichen Privatvermögen, das nicht zur Erzielung steuerbarer Einkünfte eingesetzt wird, können in Ermangelung steuerlich relevanter Einkünfte die steuerliche Einkünfteermittlung und die erbrechtliche Nutzungsermittlung und Kostentragung nicht auseinanderfallen. Der Vorerbe tätig evtl. aber Aufwendungen, die steuerlich als Sonderausgaben i.S.d. §§ 10 ff. EStG geltend gemacht werden können; beispielhaft zu nennen wäre das zu eigenen Wohnzwecken genutzte denkmalgeschützte nachlasszugehörige Haus oder eine als Kulturgut eingestufte Gemäldesammlung.
a. Erbrechtliche Verteilung von Nutzungen und Kosten
Dem Vorerben stehen nach § 2111 Abs. 1 BGB die Nutzungen zu, in den obigen Beispielen also die Möglichkeit, in dem Haus zu wohnen, sich an den Gemälden einfach nur zu freuen oder sie in einem kleinen privaten Museum auszustellen. Die Substanz dieser Gegenstände steht dem Nacherben zu. Der Vorerbe trägt die gewöhnlichen Erhaltungskosten, also z.B. die laufenden Kosten des Hauses; die außergewöhnlichen Erhaltungskosten und Lasten i.S.d. § 2126 BGB treffen den Nachlass, also z.B. die Erneuerung der Heizung oder Fensteranlage.
b. Steuerliche Behandlung beim Vorerben
Da es sich um steuerliches Privatvermögen handelt, sind die betreffenden Vermögensgegenstände, also die Substanz selbst, steuerlich per definitionem unerheblich. Da mit ihnen auch keine steuerlichen Einkünfte erzielt werden, können sich damit Steuerfolgen also nur in Form von Sonderausgaben, in seltenen Fällen in Form von außergewöhnlichen Belastungen, verbinden.
Die §§ 10f und 10g EStG bieten sich als beispielhaft zu behandelnde Vorschriften an, weil sie jeweils vo...