Am 22.9.2023 um 8.45 Uhr war es soweit: Der Kollege Michael Rudolf, Ehrenkapitän der Erbrechts, eröffnete im Heidelberger Marriott Hotel das 26. Erbrecht-Symposium und ließ das Erbrechtsschiff mit launigen Worten vom Stapel. Unter den zahlreichen Teilnehmern waren sich dem Erbrecht nähernde, junge Leichtmatrosen, erbrechtserfahrene Seebären und alles dazwischen. Viele hatten schon das Prequel am Donnerstagnachmittag genutzt und sich durch das spannende und praxisrelevante Seminar der Kollegin Dr. Stephanie Herzog zum "Streitigen Erbscheinsverfahren aus anwaltlicher Sicht" nicht nur wertvolles Wissen, sondern auch die fünf Stunden gesichert, welche mit der Tagung zusammen die 15 Pflichtfortbildungsstunden komplettieren.
Das Kommando übernahm als erster Offizier der Organisator und Moderator der Reise, der Kollege Jan Bittler, und übergab das Ruder an den Richter am BFH Prof. Dr. Matthias Loose. Mit’"Aktuellem zur Erbschaftsteuer" ging es unmittelbar in schwierige Gewässer. Die Rechtmäßigkeit der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht (BFH v. 12.10.2022 – II R 5/20), die optionale Vollverschonung von Betriebsvermögen (26.7.2022 – II R 25/20) und die Wertermittlung bei mittelbarer Grundstücksschenkung (24.8.2022 – II R 14/20) waren nur die ersten, erörterten Entscheidungen.
Es blieb nicht bei den neun Urteilen des BFH aus der Vortragsübersicht, denn diese wurden in den Kontext früherer Entscheidungen gestellt. Dabei vermochte es der Referent wunderbar, die für den Nicht-Steuerrechtler zuweilen störrische Materie komprimiert und strukturiert so zu erklären, dass es immer wieder zu Aha-Erlebnissen kam.
Das zunächst harmlos erscheinende Gewässer der "Grunderwerbsteuer in der Nachfolgeplanung" entpuppte sich bei Rechtsanwalt, FAStR Dr. Marc Jülicher, Düsseldorf, als eine wahre Springflut von Informationen, die er in seiner gewohnt engagierten und lebhaften Art und Weise dem staunenden Publikum erklärte. Vom Zusammenwirken des ErbStG und des GrEStG bei der Übertragung von Grundstücken ging es über den Sonderfall der Anteilsvereinigung bis hin zur Interpretation von Befreiungsvorschriften. Fühlten Sie sich gefordert? Keine Sorge – es ging nicht nur Ihnen so.
Getreu dem Motto "Don't pay the ferryman …" stellte Rechtsanwalt, FAErbR Stephan Rißmann aus Berlin, die Kosten ins Zentrum seiner Ausführungen zum Miterben als Mandant. Die überschaubare Rechtsprechung des BGH zu Streit- bzw. Gegenstandswert wurde dargestellt. Äußert praxisrelevant ist z.B. die Frage, ob bei einem mit Verbindlichkeiten belasteten Nachlass für die Beauftragung durch einen Miterben nur "sein" Anteil oder die gesamten Verbindlichkeiten relevant sind.
Zudem führte er mit Bezug auf § 745 BGB und in Auseinandersetzung mit dem BGH (IV ZR 42/22) überzeugend aus, dass eine Leistung an den einzelnen Miterben zu erfolgen hat und entsprechend zu fordern ist. Es handelt sich um Ersatz für den Entzug der Mitnutzung und nicht um Früchte, die der Erbengemeinschaft insgesamt gebühren würden.
Die Übersicht auf dem erbrechtlichen Entscheidungsmeer zu behalten, ist im alltäglichen Betrieb nicht einfach. Daher hielt auch das gefürchtete Mittagskoma niemanden davon ab, der Kollegin, FAinErbR Dr. Stephanie Herzog, Würselen, zur aktuellen Rechtsprechung aus anwaltlicher Sicht zu folgen. Durch Sachkenntnis, Tempo und den stets den wesentlichen Punkt treffenden Zusammenfassungen zog sie die Zuhörer in ihren Bann.
Die Fälle hatten es wieder in sich: Beim Dauerbrenner der Relevanz einer Testamentskopie hat das OLG Karlsruhe (31.3.2023 – 11 W 73/21) deutlich gemacht, dass ein Rückschluss auf die denknotwendige Existenz eines Originals nicht ausreicht. Es muss auch der Testierwille des Verfassers nachgewiesen werden. Immer wieder taucht bei der Testamentsauslegung die Frage auf: Was heißt eigentlich "Bargeld"? Das OLG München (5.4.2022 – 33 U 1473/21) stellte sich diesbezüglich gegen die Tendenz, den Begriff weit auszulegen und meist auch Buchgeld als "Bargeld" anzusehen. Das LG Bochum (20.5.2021 – I-8 O486/20) äußerte sich zur Sittenwidrigkeit von Testamentsklauseln. Solche Entscheidungen nehmen zu, wie die Referentin kritisch anmerkte.
In für viele Anwesende unbekannte Gefilde führte Rechtsanwalt und Notar, FAErbR Dr. Pierre Plottek, Bochum, mit dem Thema "Kryptowährung im Nachlassverzeichnis". Er zeigte, dass es nicht nur für Testamentsvollstrecker und Notare bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses eine Herausforderung ist. Die Kunst des Referenten war es, uns gleich eines Lotsen im Nebel den Weg zu weisen. Dazu brachte er Begriffe wie "Blockchain" und "Token" an Bord. Es geht um die Zuweisung zu einem Vermögenswert. Ein Token basiert auf der Blockchain-Technologie. Er ist einzigartig, nicht kopierbar und für sich wertlos. Zu finden sein kann er z.B. auf einem USB-Stick. Über diesen Token kann im Erbfall eine Berechtigung umgetragen werden. Das Ganze liegt dann in der "Wallet". Notwendig ist aber immer der "Private Key". Klingt ungewohnt, kompliziert und schwer verständ...