Leitsatz
1. Ein gemeinschaftliches Testament kann auch dann wirksam errichtet sein, wenn der andere Ehegatte erst nach längerer Zeit beitritt, sofern im Zeitpunkt des Beitritts der Wille des ersttestierenden Ehegatten zur gemeinschaftlichen Testierung weiterhin besteht.
2. Irrt sich der nach Wiederverheiratung anfechtungsberechtigte überlebende Ehegatte über die Bindungswirkung, hindert das nicht den Beginn der Anfechtungsfrist.
OLG München, Beschluss vom 1. Dezember 2011 – 31 Wx 249/10
Sachverhalt
Der am 29.11.2009 im Alter von 77 Jahren verstorbene Erblasser war mit der Beteiligten zu 1 in zweiter Ehe verheiratet. Die Ehe wurde am 4.8.1995 geschlossen. In erster Ehe war der Verstorbene mit der am 2.6.1992 verstorbenen Frau E. K. verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Beteiligten zu 2 und 3 hervorgegangen.
Es liegt eine letztwillige Verfügung des Erblassers und seiner ersten Ehefrau vom 19.2.1971/20.3.1977 vor, die von dem Erblasser geschrieben und unterschrieben ist und mit einer unterschriebenen Beitrittserklärung seiner Ehefrau versehen ist. Sie lautet wie folgt:
Zitat
Gemeinschaftliches Testament
Wir, die Eheleute (...) bestimmen für den Fall unseres Todes was folgt:
Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu befreiten Vorerben unseres derzeitigen Nachlasses ein, d. h. der Überlebende ist von sämtlichen im Gesetz vorgeschriebenen Beschränkungen befreit und kann frei und unbeschränkt über den Nachlaß verfügen.
Als Nacherben setzen wir unsere Kinder (Beteiligter zu 2 und Beteiligter zu 3) zu gleichen Teilen ein. Sollte eines unserer Kinder vor uns sterben, so treten dessen Abkömmlinge an seine Stelle.
(Ort), den 19. Februar 1971
(Unterschrift des Erblassers)
Das vorstehende Testament meines Ehemannes soll auch als mein Testament gelten.
(Ort), den 20. März 1977
(Unterschrift der vorverstorbenen Ehefrau)
Der Erblasser übersandte dieses Testament nach dem Tod seiner ersten Ehefrau an das Nachlassgericht, wobei er es als das "gemeinsame Testament von meiner verstorbenen Frau und mir" bezeichnete. Bei der Eröffnung gab er gegenüber dem Nachlassgericht an, dass ihm und seiner Ehefrau der Begriff der Vor- und Nacherbschaft nicht bekannt gewesen sei. Er habe die Formulierung einer Broschüre entnommen. Beide Ehegatten hätten tatsächlich eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung gewollt, wobei der Überlebende rechtsgeschäftlich über den gesamten Nachlass allein verfügungsberechtigt habe sein sollen. Erben des Letztversterbenden sollten die Beteiligten zu 2 und 3 sein. Dementsprechend wurde dem Erblasser antragsgemäß ein Erbschein als Alleinerbe ohne Nacherbenvermerk erteilt.
Der Erblasser errichtete am 31.8.2004 ein handschriftliches Testament, in dem er die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin einsetzte. Am 5.12.2008 schlossen der Erblasser und die Beteiligte zu 1 einen notariellen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Der Beteiligte zu 2 hat am 12.7.2010 Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der ihn mit dem Beteiligten zu 3 gemäß Testament vom 19.2.1971/20.3.1977 als Miterben zu je 1/2 ausweist. Die Beteiligte zu 1 hat dem widersprochen. Sie ist der Auffassung, dass sie Alleinerbin aufgrund des Erbvertrags vom 5.12.2008 sei. Ein gemeinschaftliches Testament mit wechselseitigen Bindungen liege nicht vor. Vorsorglich erklärte sie mit Schriftsatz vom 14.6.2010 die Anfechtung des Testaments vom 19.2.1971/20.3.1977 wegen Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten und wegen Irrtums des Erblassers über die Bindungswirkung der Schlusserbeneinsetzung.
Mit Beschluss vom 15.10.2010 hat das Nachlassgericht den beantragten Erbschein bewilligt. Der Erblasser habe mit seiner damaligen Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen verfasst. Die von der Beteiligten zu 1 erklärte Anfechtung greife wegen Fristablaufs nicht durch. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1.
Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erbfolge nicht nach dem Erbvertrag vom 5.12.2008, sondern nach dem vom Erblasser mit seiner vorverstorbenen Ehefrau in den Jahren 1971/1977 errichteten Testament bestimmt, und daher die Beteiligten zu 2 und 3 je zur Hälfte Erben des Erblassers geworden sind.
1. Auch der Senat ist der Auffassung, dass der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament im Sinne der §§ 2265, 2269 BGB errichtet haben.
a) Voraussetzung ist nach allgemeiner Auffassung, dass der Wille der testierenden Eheleute auf die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments gerichtet ist und sich aus der Testamentsurkunde selbst zumindest andeutungsweise ergibt, dass es sich um eine gemeinschaftliche Erklärung handelt (vgl. dazu Burandt/Rojahn/Braun Erbrecht 1. Aufl. § 2265 Rn 8 ff mwN).
Hier zeigt sich der Wille der Ehegatten zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments bereits in der Überschrift ("gemeinschaftliches Testament") wie auch in der Verwendung der Ausdrücke "Wir", "die Eheleute ... setzen un...