Der Betreute als Erbe oder Erblasser
Walter Zimmermann
Gieseking Verlag 2012, 252 Seiten, 44,00 EUR
In einem eingängigen Werbespot hieß es: "Gibt es da auch etwas von Ratiopharm?" Im Erbrecht könnte es heißen: "Gibt es da auch etwas von Zimmermann?" Es scheint fast, dass einem beim Blick in eine gut sortierte Erbrechtsbibliothek zu jedem Thema auch ein Werk von oder mit Prof. Dr. Zimmermann ins Auge fällt.
Neben dem Erbrecht ist das Vorsorge- und Betreuungsrecht das Hauptthema von Zimmermanns Publikationen. Was liegt da näher, als beide Gebiete in einem Buch zusammen zu behandeln? Der Bedarf für ein solches Werk ist vorhanden und wird noch zunehmen: Die Menschen werden älter und die Selbstständigkeit beeinträchtigende Erkrankungen wie Demenz nehmen zu. Die rechtliche Komplexität unseres Lebens ist hoch und innerfamiliäre Unterstützung seltener geworden. Eine Folge dieser Entwicklungen ist der Anstieg der Betreuungszahlen. Werden unter Betreuung stehende Menschen dann Erben oder Erblasser, kann sich eine Fülle von rechtlichen Problemen ergeben.
Allerdings ist nicht immer die Betreuung selbst die Ursache für Komplikationen. Gut ist Zimmermanns wiederholter Hinweis, dass eine rechtliche Betreuung nicht unbedingt auch die Geschäftsunfähigkeit des Betreuten bedeutet: Auf die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen kommt es aber bei seinen Handlungen an. Lediglich eine Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt lässt seine Fähigkeit unberührt, rechtlich wirksam zu handeln.
Betreuer stehen oft vor erheblichen Schwierigkeiten, wenn der Betreute erbt; schließlich sind die meisten Betreuer keine Juristen. Aber auch für Dritte ist es problematisch, wenn ein Betreuter Teil der Erbengemeinschaft ist oder gegen einen Betreuten Pflichtteils-, Nacherben- oder Vermächtniserfüllungsansprüche geltend gemacht werden sollen.
Primäre Zielgruppe des Buches scheinen Betreuer zu bilden. Die Ausführungen Zimmermanns sind meist etwas ausholend, um ein grundsätzliches Verständnis für das Erbrecht zu vermitteln. Jedenfalls Fachanwälten für Erbrecht werden weite Passagen bekannt sein, vielleicht auch aus anderen Werken des Autors. Auf manche besondere Fragen wird aber auch der Erbrechtsanwalt nur schwer anderweitig Antworten finden. So ist das Buch dem Spezialisten zu empfehlen, der im konkreten Mandat ein die Betreuung betreffendes Problem lösen muss oder öfter mit derart gelagerten Sachverhalten zu tun hat.
Außerdem werden auch Tatbestände behandelt, die bei uns Erbrechtlern Lücken auftun können: Wissen Sie, wie es sich mit der Betreuervergütung nach dem Tod des Betreuten verhält? Ist Ihnen bekannt, unter welchen Voraussetzungen die Staatskasse bei den Erben des Betreuten Regress nehmen kann?
Dass es sich lohnt, genauer hinzusehen, wenn ein Beteiligter unter Betreuung steht, zeigt sich zudem bei Gestaltungen sowohl hinsichtlich letztwilliger Verfügungen als auch bei der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften: Gibt der Betreuer ohne eine erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichts eine Erklärung ab, kann das Geschäft unwirksam sein und es können für alle Beteiligten unangenehme Folgen entstehen. Zimmermann behandelt dementsprechend recht umfassend unter dem Blickwinkel der Betreuung Aspekte von der Testamentserrichtung und dem Testamentswiderruf über die Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft bis zum Betreuten als Allein-, Mit-, Vor- und Nacherben.
Zimmermann hat es wieder bewerkstelligt, den Bedarf an Literatur für ein bestimmtes Rechtsgebiet zu erkennen und ihn durch ein Buch mit Antworten auf die praxisrelevanten Fragen zu befriedigen. Dabei bedient er sich, wie bei ihm üblich, einer verständlichen, klaren Sprache und gliedert übersichtlich. So hat er mit "Betreuung und Erbrecht" – und da liegt gewiss der Unterschied zu der eingangs erwähnten Pharmafirma – nicht nur etwas Nützliches, sondern auch etwas Eigenes und Neues geschaffen.
Autor: Dr. Dietmar Kurze
Dr. Dietmar Kurze, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht, Berlin