I. Planungssicherheit und die Finanzverwaltung als Standortfaktoren
Frau Nottelmann wies darauf hin, dass für eine mittelfristige Standortplanung die Planungssicherheit entscheidend sei. Im Unternehmensteuerrecht und dabei insbesondere bezüglich der Besteuerung von Kapitalgesellschaften habe es in Deutschland seit 1999 eine Vielzahl von gesetzlichen Änderungen gegeben. Dennoch hätten Unternehmen grundsätzlich eine mittel- bis langfristige Planungssicherheit gehabt, da trotz unterschiedlicher politischer Konstellationen alle gesetzgeberischen Maßnahmen zwei wesentlichen konzeptionellen Grundgedanken gefolgt wären. Zum einem sei dies die Senkung der im internationalen Vergleich hohen nominalen Steuerlast durch die Senkung der Steuersätze und gleichzeitige Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und zum anderen die Reduzierung der vielfältigen Anreize für eine Fremdfinanzierung sowie die Begünstigung der Selbst- und Eigenfinanzierung gewesen. Neben der Steuerpolitik sei für Standortentscheidungen von Unternehmen das Verhalten der Finanzverwaltung und das Verhältnis dieser zum Unternehmen relevant. Mit der inzwischen verbreiteten "veranlagenden Betriebsprüfung" sei dem Wunsch nach einem einheitlichen Ansprechpartner in Betriebsprüfung und Veranlagung Rechnung getragen worden. Die Groß- und Konzern-BP sei heute in der Regel nach Branchen organisiert. Dem leitenden Konzernbetriebsprüfer stehe darüber hinaus ein Team von sog. Fachprüfern zur Verfügung. Mit ausführlichen Erlassen zur Umsetzung neuen Rechts und dem Instrument der verbindlichen Auskunft würde Planungssicherheit von der Finanzverwaltung geschaffen. Sofern Abstimmungserfordernisse damit verbunden seien, könne dies systembedingt etwas länger dauern als im Ausland, die Verwaltung sei sich der Wichtigkeit des Zeitfaktors aber durchaus bewusst. Im Vergleich zu den international für ihr gutes Verhältnis zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen gelobten Niederlanden sei die deutsche Finanzverwaltung im Hinblick auf rechtliche Handlungsspielräume und Ermessensausübungen stark beschränkt. Dies sei der Ausdruck einer Rechtskultur, in der dem Schutz des Steuerobjekts vor Beamtenwillkür und Korruption höchste Priorität eingeräumt werde. Allerdings nehme man der Verwaltung damit auch Handlungsoptionen.
II. Der Standortfaktor Deutschland
Herr Sell stellte klar, dass die Bundesrepublik in den letzten fünfzehn Jahren ihre steuerpolitischen Hausaufgaben im Wesentlichen gemacht habe. Im letzten Jahr habe man Steuereinnahmen von knapp über 600 Mrd. EUR erzielt. In diesem Jahr werde nach derzeitigem Stand sogar ein Aufkommen von etwa 615 Mrd. EUR erwartet. Warum man vor diesem Hintergrund jetzt etwas Grundlegendes ändern solle, sei für ihn nicht ersichtlich. Auf Steuererhöhungen, wie sie zurzeit in der Diskussion sind, sei deshalb zu verzichten. Dies betreffe insbesondere eine empfindliche Substanzbesteuerung. Auch wenn sich in einer sich immer mehr verkomplizierenden Lebenswirklichkeit das Steuerrecht nicht vereinfachen lasse, so lasse es sich doch handhabbarer machen. Zudem seien die sogenannten "soften" Faktoren zu beachten. Verbindliche Zusagen müssten tatsächlich zu bekommen sein, APA’s (Advanced Pricing Agreement) und Schiedsverfahren müssten beschleunigt werden.
Bei dem Thema BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) gehe es nicht um die Generierung von zusätzlichem nationalem Steueraufkommen, sondern um die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, die hier ihre Steuern zahlen würden. Vor diesem Hintergrund ginge es zum einen um das Verbot oder zumindest den Versuch der Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung. Weiterhin sei dies auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Cadbury Schweppes" der Verzicht auf die Anerkennung von Steuerregimen oder Steuersubjekten ohne Substanz und schließlich die Frage, ob es im Bereich des steuerlichen Wettbewerbs nicht auch eine Steuersatzdiskussion geben müsse. Die steuerliche Akzeptanz von Briefkastenfirmen tue unserer Steuerkultur nicht gut.
Zum Thema BEPS warf Herr Dr. Kaeser ein, dass Deutschland und die deutschen Unternehmen bei der Diskussion auf internationaler Ebene allzu leicht auf die Verliererstraße geraten könnten. Wenn die Quellenstaaten unter dem Deckmantel von BEPS nunmehr beabsichtigten, ihre abkommensrechtlichen Besteuerungsrechte massiv auszudehnen, indem Betriebsstätten aufgrund schwer fassbarer immaterieller Voraussetzungen fingiert würden, die weit weg vom tradierten Konzept einer festen Geschäftseinrichtung seien, könne man als Exportnation fiskalisch nur verlieren.
III. Standortentscheidung aus Sicht eines Familienunternehmens
Herr Gerner stimmte der Auffassung von Herrn Sell dahingehend zu, dass eine grundlegende Systemänderung des deutschen Steuerrechts nicht notwendig sei. Zu den soften Faktoren betonte er, dass man mit der Finanzverwaltung gute Erfahrungen gemacht habe. Insbesondere die zeitnah durchgeführten Betriebsprüfungen seien effizient, sachlich und schnell. Dies sei ein enormes Standortargument, wobei die Steuerbelastung selbstverständlich trotzdem einen deutlichen Einflu...