1. Die Bedeutung von Steuern bei Standortentscheidungen
Herr Prof. Hundsdörfer gab zu Beginn seines Vortrags einen systematischen Überblick zu standortabhängigen Steuerbelastungen und Standortentscheidungen. Zur Frage, wie Unternehmen Standortentscheidungen treffen, habe Devereux ein überprüfbares Schema entwickelt. Danach wähle ein Unternehmen zuerst die Standorte aus, an denen es grundsätzlich tätig werden möchte. Ausschlaggebend bei dieser Entscheidung sei der maßgeblich vom Tarif bestimmte effektive Durchschnittssteuersatz (EATR – Effective Average Tax Rate). Anschließend werde über das Investitionsbudget an den jeweiligen Standorten entschieden, wofür der stark von der Bemessungsgrundlage beeinflusste effektive Grenzsteuersatz (EMTR – Effective Marginal Tax Rate) ausschlaggebend sei. Wenn die Investitionen durchgeführt und die Geschäfte getätigt würden, komme es zu einer Allokation von Bemessungsgrundlagen über die Konzernstruktur, Organkreise, Finanzierung, Verrechnungspreise, Gewinnverwendung und Ähnliches. Für die Entscheidung über diese Allokation spiele nach der Theorie der nominale Steuersatz die entscheidende Rolle.
Diese Theorie sei von vielfachen Studien überprüft worden. Bei der Ausgangsfrage zur Standortauswahl kämen diese Studien zu dem Ergebnis, dass die Senkung des Steuersatzes um 1 % die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit einer Ansiedlung um immerhin 1,5 bis 2,6 % erhöhe. Die damit im Zusammenhang stehende Beurteilung über die Höhe bzw. optimale Justierung des Steuersatzes sei in der Literatur jedoch umstritten. Für die Frage des Investitionsbudgets am jeweiligen Standort sei nicht hauptsächlich der Tarif, sondern vielmehr die Bemessungsgrundlage ausschlaggebend. Die wenigen empirischen Untersuchungen hierzu zeigten, dass weltweit eine Senkung des Steuersatzes um 1 % das durchschnittliche Investitionsvolumen der Unternehmen um 0,4 bis 1 % erhöhe. Die Effekte von Standortauswahl und Investitionsbudget zusammen brächten zwar Vorteile, die aber bei Weitem nicht für die vollständige Gegenfinanzierung einer Reform ausreichten. Zu beachten seien allerdings noch die Gewinnallokationsmöglichkeiten, also die Möglichkeiten, einen Gewinn in einen anderen Staat zu verlagern. Je größer die Möglichkeiten der Steuerplanung an einem Standort seien, desto unwichtiger werde der Steuersatz. Ergebnis der 2008 von Huizinga/Laeven dazu durchgeführten größten Studie für Konzerne in Gesamteuropa sei gewesen, dass eine Erhöhung des Steuersatzes um 1% die durchschnittlichen Gewinne der Tochtergesellschaften in dem betroffenen Land um ungefähr 1,3 % senke.
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Standortwahl sei die in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung bislang vernachlässigte Steuererhebung, die sogenannten Compliance Costs. Weitgehend ausgeräumt sei inzwischen das Vorurteil, Deutschland habe das komplizierteste Steuersystem der Welt. Laut der Studie Paying Taxes 2013 befinde sich Deutschland im Mittelfeld der untersuchten Länder. Für eine durchschnittliche Kapitalgesellschaft sei ein Arbeitsaufwand von 207 Stunden pro Jahr repräsentativ, wobei das Problem Deutschlands im Wesentlichen die Lohnsteuer und die Sozialabgaben seien.
2. Der Handlungsspielraum des Gesetzgebers
Die Körperschaftsteuersenkung im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 habe den gewünschten Effekt zur Folge gehabt. Die EMTR und die EATR seien deutlich gesunken und es gebe geringere Anreize zur Gewinnverlagerung. Untersuchungen an seinem Lehrstuhl belegten, dass sich die Senkung des Körperschaftsteuersatzes positiv für die Standortwahl ausgewirkt habe und den aus deutscher Sicht positiven Effekt für Gewinnallokationen habe.
Ein Konstruktionsfehler sei jedoch die Abgeltungsteuer, durch die das Fremdkapital gegenüber dem Eigenkapital stark privilegiert werde. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass eine Dividende schon mit Körperschaftsteuer und in der Regel auch mit Gewerbesteuer vorbelastet sei, wenn sie ausgeschüttet werde. Dadurch würden Finanzierungsentscheidungen verzerrt und die Rechtsformneutralität beeinträchtigt. Das Problem der Ungleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital sei allerdings ein weltweites.
3. Die Zukunft der Körperschaftsteuer
Im internationalen Vergleich habe die Körperschaftsteuer ein geringes Aufkommen. Ausgehend vom Aufkommensvolumen sei die Gewerbesteuer die eigentliche Unternehmensteuer. Für die Frage nach der Zukunft der Körperschaftsteuer müsse entschieden werden, was besteuert werden solle. Dies könnten – wie im bestehenden System – die Gewinne sein, wobei diese wie bisher durch ein separates Accounting oder auch im Rahmen einer gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage (CCCTB – Common Consolidated Corporate Tax Base) ermittelt werden könnten. Alternativ gebe es die Zins...