1. Hohe Anforderungen an die Steuerabteilungen der Unternehmen
Herr Dr. Kaeser begann seinen Vortrag mit der Feststellung, dass die Diskussionen um BEPS, Offshore-Leaks u. Ä. die Mobilität von Unternehmen in ein falsches Licht rückten. Wer die öffentliche Diskussion verfolge, müsse annehmen, dass es bei Standortentscheidungen nur noch um Guernsey, die Cayman Islands oder ähnliche Orte gehe. Ausschlaggebend für die Unternehmen sei dagegen der Marktzugang. Aus diesem Grund sei es das Ziel für international agierende Unternehmen, ihr Kerngeschäft entsprechend global zu betreiben und alle Märkte zu bedienen. Umso mehr gelte dies für Unternehmen in einem Exportland wie Deutschland. Vor diesem Hintergrund seien die Steuerabteilungen oftmals nur die Getriebenen der globalen Markt- und Unternehmensentwicklung der letzten Jahre. Die Internationalisierung im Konzern und das Denken der Geschäftseinheiten ohne Grenzen seien nur schwer mit Regelungen wie z. B. der Funktionsverlagerung in Einklang zu bringen.
2. Der Einfluss der Steuerabteilung bei Standortentscheidungen
Beim Begriff der Standortentscheidung müsse man unterscheiden, ob eine bestehende Struktur optimiert werden solle oder ob eine völlig neue Geschäftseinheit geplant werde. Je stärker in eine bereits bestehende Struktur eingegriffen werden müsse, desto geringer sei der Einfluss der Steuerabteilungen. Bei der Planung neuer Geschäftseinheiten könne die Steuerabteilung dagegen tatsächlich Einfluss nehmen. Dies korrespondiere mit der Frage danach, ob Tätigkeiten oder aber Vermögensgegenstände allokiert würden. Sobald in das operative Geschäft eingegriffen werde, spiele die Steuer nur noch eine untergeordnete Rolle. Gehe es dagegen um Vermögensgegenstände, so habe die Steuerabteilung größere Planungsmöglichkeiten.
3. Harte Standortfaktoren
Bei einer Standortentscheidung seien der Steuersatz und die Bemessungsgrundlage die entscheidenden harten Faktoren. Der Steuersatz sei vor allem dann relevant, wenn eine isolierte Entscheidung darüber zu treffen sei, wo bestimmte Vermögensgegenstände allokiert würden. Je mobiler ein solcher Vermögensgegenstand sei, desto relevanter sei der Steuersatz. Die steuerliche Förderung über die Bemessungsgrundlage sei aus Staatssicht viel präziser, weil man bewusst Anreize setzen könne. Aus der Sicht von Unternehmen sei sie immer dann sinnvoll, wenn man auf reife Märkte treffe, in denen man bereits seit vielen Jahren präsent sei. Anreizsysteme könnten nur dann gezielt genutzt werden, wenn es auch Steuerzahlungen in dem betreffenden Land gebe. Ein Beispiel hierfür sei die ehemalige Forschungsförderung in Österreich. Die Siemens AG sei damals ohnehin in Österreich aktiv und ein großer Steuerzahler gewesen und habe so die Förderung sinnvoll nutzen können. Die Verlagerung einer Forschungseinheit nach Österreich zur Nutzung dieser Förderung hätte sich dagegen großen Schwierigkeiten gegenübergesehen.
Mit Blick auf die Zukunft der Körperschaftsteuer würde deren Abschaffung zu gleichheitsrechtlichen Problemen und massiven Gegenbewegungen führen. Besonders in Deutschland sei die Körperschaftsteuer der Gegenspieler zur Einkommensteuer bei Personengesellschaften. In absehbarer Zukunft zeichne sich deshalb keine Abschaffung der Körperschaftsteuer ab.
4. Weiche Standortfaktoren
Weiche Standortfaktoren könnten ebenfalls ausschlaggebend für Standortentscheidungen sein. Hierunter seien auch die Verlässlichkeit der Gesetzgebung und die Qualität der Finanzverwaltung zu verstehen. Insbesondere die Existenz einer verlässlichen und qualitativ hochwertig arbeitenden Finanzverwaltung und die Möglichkeit, verbindliche Vereinbarungen der Steuerfolgen treffen zu können, seien wichtige Aspekte. Wegen dieser weichen Standortfaktoren sei es durchaus möglich, dass ein Veto mit Blick auf die Standortentscheidung eingelegt werde, insbesondere wenn es um Anlagenbau, Projektgeschäft oder um die Gründung von Betriebsstätten gehe.