Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Verjährung ist § 199 Abs. 1 BGB jedoch dahingehend weit auszulegen, dass zu den den Anspruch begründenden Umständen auch der Bestand des Nachlasses gehört. Damit beginnt die Verjährung erst in dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem später aufgetauchten Nachlassgegenstand Kenntnis erlangt mit der Folge, dass sein Pflichtteilsanspruch nicht verjährt ist.
a) Sinn und Zweck der Verjährung. Sinn und Zweck der Verjährung ist u. a. die Schaffung von Rechtsfrieden. In den Motiven zum BGB heißt es zum Sinn und Zweck der Verjährung: "Grund und Zweck der Anspruchsverjährung ist, der Behelligung mit veralteten Ansprüchen ein Ziel zu setzen (...) Der Schwerpunkt der Verjährung liegt nicht darin, daß dem Berechtigten sein gutes Recht entzogen wird, sondern darin, daß dem Verpflichteten ein Schutzmittel gegeben wird, gegen voraussichtlich unberechtigte Ansprüche ohne ein Eingehen auf die Sache sich zu verteidigen". Weiter heißt es: "Folgerichtig ist die Verjährung ein Recht des Schuldners, das nicht aus seinem, sondern dem Verhalten des Gläubigers erwächst".
Für die Verjährung kann dabei an das Verhalten des Gläubigers nur angeknüpft werden, wenn es diesem möglich ist, den Anspruch auch zeitnah durchzusetzen. Nur wenn dieser trotz Möglichkeit für einen längeren Zeitraum die Geltendmachung verzögert, kann zum einen davon ausgegangen werden, dass dieser nicht mehr auf Leistung besteht. Zum anderen wird es umso schwieriger, zuverlässige Feststellungen über jene Tatsachen zu treffen, die für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebend sind. Dieses Schutzbedürfnis gilt insbesondere für den Schuldner, der nicht auf den Zeitpunkt der Geltendmachung einwirken kann und demzufolge für die anspruchsvernichtenden und -hemmenden Tatsachen, für die er die Beweislast trägt, im höheren Maße das Risiko zeitablaufbedingter Unaufgeklärtheit trägt, z. B. bei Verlust von Beweisurkunden oder Belegen. Dieser ungleichen Risikoverteilung soll sich der Schuldner dadurch entziehen können, indem er sich ohne weiteren Sachvortrag auf die Verjährung berufen kann.
Auch soll dem Schuldner die Gewissheit gegeben werden, ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr an den Gläubiger leisten zu müssen, womit dessen Dispositionsfreiheit geschützt wird. Der Schuldner soll nicht der dauerhaften Notwendigkeit der Bildung von Rücklagen für Risiken einer jederzeit möglichen Inanspruchnahme ausgesetzt sein.
Der Verjährung liegen somit im Wesentlichen drei Erwägungen zu Grunde: die Möglichkeit des Gläubigers zur rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs, die Gefahr einer erschwerten Feststellung der für die Rechtsbeziehung maßgeblichen Tatsachen sowie der Schutz der Dispositionsfreiheit des Schuldners.
b) Kein Eingreifen von Sinn und Zweck. In Fällen nachträglicher Kenntniserlangung greifen diese der Verjährung zu Grunde liegenden Erwägungen nicht ein.
aa) Erlangt der Pflichtteilsberechtigte erst nachträglich Kenntnis über einen weiteren Nachlassgegenstand, so ist es diesem gerade nicht möglich, den Pflichtteilsanspruch zeitnah und vollumfänglich geltend zu machen. Eine durch den Pflichtteilsberechtigten zu vertretene Verzögerung liegt nicht vor. Das Nichthandeln des Pflichtteilsberechtigten ist kein Ausdruck dafür, dass er nicht auf Leistung besteht. An sein Verhalten kann damit für die Verjährung nicht angeknüpft werden.
bb) Des Weiteren besteht in den typischen Fällen nachträglicher Kenntniserlangung nicht die Gefahr einer erschwerten Feststellung der maßgeblichen Tatsachen. Zwar besteht auch in diesen Fällen die Gefahr, dass sich der für den Pflichtteilsanspruch maßgebliche Sachverhalt nicht mehr zuverlässig ermitteln lässt. Dies ist jedoch gerade nicht eine Folge des Umstandes, dass erst nachträglich von einem weiteren Nachlassgegenstand Kenntnis erlangt wurde. Soweit streitig ist, ob der Gegenstand zum Nachlass gehört, trägt ohnehin der Pflichtteilsberechtigte die Beweislast. Trägt dieser entsprechende Beweismittel vor und ist dies dem Erben nicht möglich, ist das nicht Ausdruck einer ungleichen Risikoverteilung. Die für die Frage der Zugehörigkeit zum Nachlass maßgeblichen Umstände, wie z. B. der Erwerb oder eine (unwirksame) Veräußerung durch den Erblasser, liegen teils viele Jahre vor dem Erbfall. Im vom BGH zuletzt entschiedenen Fall lag der Erwerb des Grundstücks durch den Erblasser 25 Jahre vor dem Eintritt des Erbfalls. Liegen die Umstände bereits Jahre vor Eintritt des Erbfalls, so besteht eine erschwerte Gefahr für eine zuverlässige Feststellung evtl. gar bereits im Zeitpunkt des Erbfalls und wird nicht erst dadurch begründet bzw. "verschärft", dass erst später von einem weiteren Nachlassgegenstand Kenntnis erlangt wurde. Auch besteht keine besondere Schutzbedürftigkeit des Erben bzgl. der rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Einwendungen, für welche dieser die Beweislast trägt. Typische Einwendungen, die einem Zahlungsanspruch entgegen gehalten werden, sind di...